1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
mischte sich nun Ludwig Hußel ein, immer noch schwer atmend nach dem Abstieg vom Turm. »Das lässt Marschall Ney melden, und ein Siegesfest soll vorbereitet werden.«
»Was wollen sie denn essen auf ihrem Siegesfest, wenn keine Krume Brot mehr aufzutreiben ist?«, höhnte die Frau mit der großen Haube.
Nun galoppierten Reiter auf den Markt und brüllten lauthals die Nachricht vom Sieg Napoleons heraus. Die Militärs und die Bürgergarde vor dem Quartier des Königs riefen ein dreifach donnerndes »Vive l’Empereur!«.
Henriette hatte genug gehört. Sie ertrug es nicht länger.
Die Schlacht war verloren.
Die Alliierten vernichtend geschlagen.
Maximilian und Felix vermutlich tot, und wenn nicht, dann verwundet oder gefangen. Sie konnte nur hoffen, dass die Sieger genug Milde zeigten, um den Unterlegenen Fürsorge zuteilwerden zu lassen.
Ob jetzt in die Kirche auch preußische und russische Verwundete gebracht werden würden? Wohl kaum, da sie nicht einmal genügend Proviant und Wundärzte für ihre eigenen Leute hatten.
Mit hängenden Schultern und müden Schritten ging Henriette zurück in die Kirche. Es gab zu tun. Die vertrauten Handgriffe. Und um sie herum die vielen Verwundeten, von denen die meisten so wenig Hoffnung hatten zu überleben wie sie.
Die letzte Reserve
Wachau, 16 . Oktober 1813
N apoleon Bonaparte wartete noch auf Verstärkung vor dem entscheidenden Gegenschlag. Auf Ney und Marmont, die nicht kamen. Zu diesem Zeitpunkt wusste der Kaiser noch nicht, dass beide in Möckern durch das Korps Yorck schwer beschäftigt gehalten wurden. Blücher und Gneisenau hatten entschieden, Kampfhandlungen im Norden Leipzigs aufzunehmen, um französische Truppen aus dem Süden abzuziehen und dort zu binden.
Auf dem Wachtberg bei Güldengossa hatten sich unterdessen die drei Monarchen der Alliierten versammelt und beobachteten die Vorbereitungen für den Reiterangriff der Grande Armée.
Besorgt riet Jomini dem nur von einigen Gardekosaken geschützten Zaren, auf sein Pferd zu steigen. Denn bald werde es hier ein großes Durcheinander geben.
Diese Bemerkung entrüstete den König von Preußen außerordentlich. Es gebe kein Durcheinander bei braven Soldaten!, rügte er den General aus der Schweiz harsch.
Und es gebe keine Kavallerieattacke ohne Durcheinander, wagte der aufgebrachte Berater entgegenzuhalten.
Auf Drängen ihrer Ratgeber und Garden zogen sich Zar Alexander , Friedrich Wilhelm von Preußen und der Kaiser von Österreich ein Stück zurück – gerade noch rechtzeitig.
Gegen vierzehn Uhr befahl Napoleon den Angriff der Kavallerie auf Wachau und Güldengossa. Brachial wie eine Sturmflut galoppierten Tausende Reiter auf die Stellungen der Verbündeten zu. Einige sächsische Kürassiere schafften es sogar, bis an die russischen Geschütze heranzukommen. Hastig verließen die drei Monarchen ihren Beobachtungsposten, und die Gardekosaken unter dem Kommando des Grafen und Generals Wassili Orlow-Denissow stürzten sich den Angreifern entgegen.
Bei Güldengossa kamen russische und finnische Garderegimenter den Preußen zu Hilfe.
In Wachau rückten nun auch die russischen Dragoner Ducas, die neumärkischen Dragoner und von Pahlens schlesisches Kürassierregiment an, mit noch frischen Pferden, während die des Gegners nach langem Anritt schon ermüdeten.
So gelang es Murats Reitern zwar, die mittlere Verteidigungslinie der Alliierten zu durchbrechen, doch dann erlahmte ihr Angriff, löste sich auf, und die Männer ritten zurück hinter den Schutz von Drouots Batterien.
Der Großangriff war abgewehrt. Napoleon musste Wachau und Güldengossa aufgeben.
Eugen von Württemberg und sein Zweites Korps hatten mit ihrem stoischen Mut die vollständige Katastrophe verhindert. Doch dafür lebte nur noch jeder fünfte Mann.
Mit versteinerter Miene schritt Prinz Eugen das Feld ab, auf dem die Toten lagen, all die vielen Wassjas, Petjas und Aljonuschkas …
Russische Soldaten waren zumeist Leibeigene, von ihren Grundherren in die Armee geschickt, und rechneten nicht damit, jemals wieder in die Heimat zurückzukehren.
Doch ob ihre Mütter nicht glücklicher wären zu wissen, dass die Söhne noch lebten?
Im Angesicht der Opfer fragte sich Eugen von Württemberg, ob man in ihm den Retter der südlichen Verteidigungslinie sehen würde oder den General, der fast alle seine Männer verloren hatte.
Am Ende dieses Tages war nicht eine der Dispositionen Schwarzenbergs aufgegangen.
Langenaus geplanter
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