1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
großer Schlag gegen den Süden Leipzigs versackte im Sumpfgelände. Ohne Wolzogens Eingreifen wären die Truppen zwischen Markkleeberg und Liebertwolkwitz vernichtend geschlagen worden.
Markkleeberg und Dölitz waren unter hohem Blutzoll für beide Seiten von Fürst Poniatowski zurückerobert worden.
Der Angriff auf Lindenau im Westen, wo Gyulai demonstrativ die wichtigste Rückzugslinie für den Gegner abschneiden sollte, scheiterte.
Dort behauptete sich das Korps von General Henri Gratien Bertrand, mit ihm auch der Premier-Lieutenant Étienne de Trousteau und seine »Marie-Louisen«. Zumindest die meisten von ihnen. Zwei waren auf dem Marsch einfach liegen geblieben, zu Tode erschöpft. Einer der jungen Rekruten hatte bei Beginn des Gefechts vor Angst zitternd geschrien, er rühre sich keinen Schritt von der Stelle, und ließ sich nur mit vorgehaltenem Degen zum Aufstehen zwingen. Und einer hatte beim Herannahen des Feindes wie befohlen geladen, dann brüllte er: »Ich halte das nicht mehr aus!«, stellte den Kolben auf den Boden und schoss sich durch das Kinn in den Kopf.
Bei den anderen zeigte seine strenge Ausbildung Erfolg. Sie schlugen sich besser als erwartet. Bis Generalleutnant Thielmann – der nicht in Gefangenschaft geraten war, wie Ney hatte verbreiten lassen – mit seiner zweitausend Mann starken Kavallerie auftauchte und wie im Sturmwind Leutzsch, Plagwitz und Kleinzschocher eroberte. Gegen diese geballte Macht hatten die kampfunerfahrenen Rekruten und ihr junger Premier-Lieutenant keine Chance.
Die einzige Schlacht, aus der die Alliierten an diesem Tag als Sieger hervorgingen, war die von Blücher befohlene um Möckern. Doch dafür hatten sie einen hohen Preis zu zahlen.
Preußen vor Möckern
Möckern nördlich von Leipzig, 16 . Oktober 1813
S o verzweifelt und hartnäckig, wie im Süden gekämpft wurde, so verbissen verlief im Norden Leipzigs seit dem Mittag die Schlacht um das Dorf Möckern zwischen dem Korps Yorck und dem eiligst dorthin beorderten Korps Marmont.
Marschall Marmont stand in dem Ruf, noch nie eine Schlacht verloren zu haben. Die Franzosen hatten den Ort in eine Festung verwandelt, begünstigt durch die geographische Lage und den schmalen, gut zu verteidigenden Eingang am Rittergut. Hinter jeder Lehmmauer, in jedem der inzwischen größtenteils zerstörten Häuser hatten sie sich verschanzt. Und auf der Anhöhe am Ende des Dorfes, wo die Ziegelei stand, ließ Marmont eine Batterie von vierzig Geschützen aufstellen. Mit tödlichem Feuer riss diese verheerende Lücken bei den in Linie anrückenden Preußen, noch bevor sie einen Fuß in das Dorf setzen konnten.
Schon sieben Angriffe hatten Yorcks Truppen geführt, aber sie waren immer wieder nach blutigen Bajonettgefechten hinausgedrängt worden.
Keine Handbreit Boden für die Preußen!, dachte verbissen der Lieutenant de vaisseau der Marinegarde, Lucien Junot. Hier konnten seine Männer zeigen, was sie wert waren. Haus um Haus trieben sie die ebenso verbissen kämpfenden Gegner zurück, mit Gewehren und Bajonetten, bis sie erneut nach vorn drängten.
Jede Faser seines Körpers schmerzte, doch das kümmerte ihn nicht. Ein Drittel der Männer seiner Escouade war seit dem Mittag gefallen oder verletzt, doch jeder von ihnen hatte mindestens einen Preußen mit in den Tod gerissen. Heute war der Tag, Ruhm zu ernten. Und er würde die Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Pardon wurde heute nicht gegeben, von keiner Seite.
Erheblich weniger Einsatz zeigte Pícaro vom spanischen Strafbataillon. Er war in ein Haus gerannt, das nur noch zur Hälfte stand, durchsuchte die Tornister der herumliegenden Toten nach Brauchbarem, vor allem nach Tabak, lugte um die Ecke, ob ihn jemand sah, und schlang einen Kanten Brot hinunter, den er in der noch halbwegs unversehrten Küche gefunden hatte.
Sollten die Offiziere vorangehen und ihren Kopf riskieren! Dies war nicht sein Land, dies war nicht sein Kampf. Er musste nur zusehen, wie er den Tag lebend überstand. Ohne aufgespießt zu werden und ohne zu verhungern. Aber vorerst schienen die Preußen erneut zu weichen, mindestens fünfzig Schritt zurück, was verdammt viel war in diesem vermaledeiten Dorf, das sie nun schon ein halbes Dutzend Mal verloren und von neuem erobert hatten.
Was war das für ein Krieg, in dem man nicht einmal richtig Beute machen konnte? Was war das für ein Land, in dem es ständig regnete und in dem die Sommer kälter waren als die Winter
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