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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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ungewöhnliches Bauwerk mit vier quadratischen Türmen an den Ecken und einem Friedensengel auf dem Hauptturm in der Mitte. Es gehörte jenem königstreuen Freiherrn von Friesen, der als Mitglied der Immediatkommission im Mai mitten in der Nacht den Torgauer Festungsgouverneur Thielmann aufsuchen musste, um ihn im Auftrag Napoleons zur Übergabe der Festung zu bewegen.
    Manchmal steckte eine gewisse Ironie des Schicksals hinter der Wahl der ständig wechselnden Quartiere für die Anführer der kriegführenden Parteien. Im September übernachtete Napoleon einmal auf Schloss Kuckuckstein, dem Besitz Carls Adolf von Carlowitz, der in die russische Armee eingetreten war. Es war Bonaparte durchaus bewusst, auf wessen Schloss er sich aufhielt und welcher Gesinnung der Hausherr war. Aber um seine Großzügigkeit und Kultiviertheit zu zeigen, wies er an, die riesige Bibliothek des nunmehr russischen Offiziers unangetastet zu lassen.
    Und es war schon nicht mehr Ironie, sondern ein zynisches Spiel des Schicksals, dass an genau jenem Tag, dem 9 . September, die Herrscher der alliierten Länder in strengster Geheimhaltung Europa bereits unter sich aufgeteilt hatten – für die Zeit nach ihrem Sieg.
    Seine Majestät der Zar habe sich bereits zur Ruhe begeben, erfuhr Wolzogen in Rötha und fand Unterkunft bei dem Diplomaten von Anstett. Die Unglücksnachricht konnte er also erst morgen früh überbringen.
    Hätte er ruhiger geschlafen, wenn er wüsste, dass von Merveldt noch lebte, durch den Sturz seines Pferdes lediglich leicht am Arm verletzt?
     
    Ich muss unbedingt lebend dort drüben ankommen, dachte der österreichische General wieder und wieder, während er den Polen und Sachsen am Torhaus entgegenpreschte und ihnen mit Handzeichen bedeutete, das Feuer einzustellen.
    »Ich bin General von Merveldt!«, schrie er. Am liebsten hätte er noch angefügt: »… und muss dringend zum Kaiser«.
    Doch das verbot die Vertraulichkeit seiner Mission.
    So konnte er nur hoffen, dass die Männer, die auf ihn und sein Pferd schossen, einen gegnerischen General lieber lebend gefangen nahmen. Man konnte ihn befragen und gegen hochrangige Gefangene austauschen.
    Die Salve traf nur sein Pferd, zusammen mit dem Reiter stürzte es in einen Graben. Mühsam kam er wieder zu sich. Er sah einen französischen Gardeoffizier auf sich zureiten, rappelte sich auf und rief seinen Namen.
    »Lambert de Stuers!«, stellte sich der Gardeoffizier vor. »Sie sind mein Gefangener. Übergeben Sie mir Ihren Säbel!«
    Diese demütigende Geste blieb Merveldt nicht erspart.
    Es kam noch schlimmer: Er wurde zu General Poniatowski geführt. Sie beide waren sich zutiefst verhasst aus den Zeiten, als sie noch gemeinsam in der Grande Armée gekämpft hatten.
    Aber natürlich war Józef Poniatowski – der Schrecken seiner Feinde, der Schwarm der Frauen und die Hoffnung seiner polnischen Landsleute – von viel zu ritterlicher Gesinnung, um sich das anmerken zu lassen. Trotz der harten Kämpfe des Tages, an denen er persönlich großen Anteil hatte und bei denen er verwundet worden war, wirkte er elegant, gelassen, würdevoll. Durch und durch ein künftiger König.
    Soeben hatte er erfahren, dass ihn Napoleon in den Rang eines Marschalls erhoben hatte. Eines
Marschalls von Frankreich,
obwohl er kein Franzose sei, betonte der Überbringer des Schreibens und wollte das als Lob verstanden wissen. Poniatowski bedankte sich mit höflichen Worten für die Auszeichnung und betonte, es gebe für ihn keine größere Ehre als die, Befehlshaber des polnischen Heeres zu sein.
    Der Fürst befahl, den Gefangenen gut bewacht und umgehend zum Kaiser zu eskortieren. Poniatowski war viel zu klug, um zu glauben, dass dieser auf Grund eines Sehfehlers hier aufgetaucht war.
    Erleichtert atmete Merveldt auf. Jetzt konnte er seine Mission ausführen.
     
    Napoleon Bonaparte empfing den Gefangenen am Wachtfeuer in seinem Biwak bei Meusdorf, wie immer umgeben von seiner Alten Garde.
    »Mein Schwiegervater schickt mir also ein Verhandlungsangebot, hä?«
    Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Bonaparte hatte fest damit gerechnet, dass Kaiser Franz ihm einen geheimen Emissär entsandte, ohne Wissen der Russen und Preußen. Von den Schweden war ja ohnehin noch weit und breit nichts zu sehen.
    Er hatte sich nicht damit getäuscht. Die Wahl verriet schon eine Menge, denn Merveldt war nicht nur ein verdienstvoller Militär, der bereits in jungen Jahren rasch Karriere gemacht hatte; er war

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