1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
einige Zeit auch als Gesandter im Einsatz gewesen und hatte mehrfach mit Napoleon über Waffenstillstände verhandelt.
Für diplomatisches Heranpirschen an das Thema hatte Napoleon allerdings weder Zeit noch Geduld. Deshalb fragte er geradezu: »Sie wollen mir also eine Schlacht liefern? Aber Sie irren sich, was meine Stärke angeht. Für wie groß halten Sie meine Streitkräfte?«
»Höchstens einhundertzwanzigtausend Mann, Sire!«
»Ich habe zweihunderttausend!«, triumphierte Bonaparte. »Und Sie?«
»Mehr als dreihundertfünfzigtausend, Sire.«
Einen Moment lang herrschte Stille.
»Greifen Sie morgen an?«
»Es liegt bei Ihnen, Frieden zu schließen, wie in Prag«, erklärte Merveldt salbungsvoll.
Das war nun etwas, worüber sich Napoleon heftig echauffierte. In Prag habe doch niemand wirklich Frieden schließen wollen!
Nach einigem Hin und Her fragte er den Geheimgesandten seines Schwiegervaters: »Ohne Ausflüchte – wie lauten die Forderungen für einen Friedensschluss?«
»Ziehen Sie sich hinter den Rhein zurück und verzichten Sie auf das Protektorat über den Rheinbund …«
»Niemals! Ich gebe England Hannover zurück, wenn England mir meine Inseln wiedergibt.«
»Warschau?«
»Darauf könnte ich verzichten. Sogar auf die Illyrischen Provinzen, damit bekäme Österreich wieder einen Zugang zum Meer.«
»Spanien?«
»Nein! Spanien ist eine dynastische Angelegenheit!«
»Die Wiederherstellung Hollands?«
»Niemals! Und Italien bleibt, wie ich es eingerichtet habe.«
Wieder trat ein beklemmendes Schweigen ein.
»Richten Sie den Alliierten folgendes Angebot aus«, sagte Napoleon dann und deklamierte, während er auf und ab ging: »Wir ziehen uns aus Leipzig bis an die Saale zurück. Vorausgesetzt, die Hauptarmee kehrt nach Böhmen zurück und die Russen und Preußen begeben sich auf das rechte Elbufer. Das Königreich Sachsen wird von allen Kriegsparteien geräumt und neutral erklärt. Das ist sowieso durch den Krieg zerstört und hinüber, hier ist nichts mehr zu holen. Ich verzichte auf Polen, Hannover, Holland. Ja, sogar auf Holland! Auf Spanien und Illyrien. Aber ich behalte das Protektorat über den Rheinbund und Norditalien!«
Bonaparte gab seine ruhelose Wanderung auf, trat näher an den General heran und fragte: »Sie werden nicht darauf eingehen, nicht wahr?«
Merveldt zögerte, bevor er schließlich eingestand: »Nein, Sire. Sofern Sie sich nicht hinter den Rhein zurückziehen und auf alle Eroberungen verzichten …«
»Das ist vollkommen ausgeschlossen! Ich gebe nicht kampflos auf, was ich in all den Jahren in blutigen Schlachten gewonnen habe!«
Abermals zögerte Merveldt, dann räusperte er sich und sagte noch leiser: »Ich werde den Alliierten Ihr Angebot überbringen, sofern Sie mich zu ihnen schicken. Aber rechnen Sie nicht mit einer Antwort. Und für diesen Fall …«
Er räusperte sich noch einmal. Und endlich sprach er aus, was der eigentliche Zweck seines abenteuerlichen Ausflugs war, den er bei seiner Rückkehr mit einer Verwechslung der Truppen aus Kurzsichtigkeit begründen musste.
»Der Kaiser von Österreich lässt Ihnen ganz privat mitteilen … für den äußersten Notfall … für den Fall, dass Sie Ihre Truppen zurückziehen müssen …«
»Nun kommen Sie schon zur Sache, Merveldt!«, drängelte Bonaparte.
»Er wird dafür Sorge tragen, dass die Straße nach Weißenfels für den Rückzug Ihrer Armee frei gehalten wird. Sie werden dort auf keine nennenswerten Hindernisse stoßen. Das garantiert Ihnen Seine Kaiserliche Hoheit.«
Merveldt spürte, wie ihm trotz der Kälte Schweiß den Rücken hinablief.
Bonaparte lächelte triumphierend. Franz würde ihn nicht im Stich lassen. Noch war nichts verloren. Bis auf Leipzig vielleicht. Aber dessen Schicksal war ohnehin besiegelt.
Leipzig, 17 . Oktober 1813
E s war ein Sonntag; kalt, nass und trüb.
Sämtliche Armeen um Leipzig standen unter Waffen und erwarteten im strömenden Regen den Großangriff des Feindes. Doch der blieb aus.
Ein sehr nachdenklicher General Yorck begann diesen Tag mit einem Feldgottesdienst, bevor er sein Korps neu formierte. Von seinen einundzwanzigtausend Mann standen nur noch dreizehntausend, fast alle seine Offiziere waren gestern gefallen oder verwundet worden.
Ein sehr ungeduldiger General Blücher begann den Tag mit einem Angriff auf den Norden Leipzigs und eroberte Eutritzsch und Gohlis. Die Order Schwarzenbergs, dass man heute nicht angreifen werde, sofern der Feind
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