1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Fieber niederstreckten.
Die meiste Zeit schlief er, manchmal stöhnte er im Fieberwahn, rief Namen oder schrie etwas Unverständliches. Es klang so, als gäbe er immer noch Kommandos, um seine Männer zu retten. Dr. Meuder hatte die Wunde gereinigt und frisch verbunden und Jette ein Mittel gegen das Fieber in die Hand gedrückt, das sie ihm stündlich verabreichen sollte.
Meistens musste sie den Offizier dafür wecken; er schien sie kaum wahrzunehmen. Aber die Tinktur und die kühlen Umschläge hatten wohl gewirkt. Heute war sein Schlaf ruhiger, seine Stirn nicht mehr so heiß und sein dunkles Haar nicht verschwitzt. Seine Gesichtszüge wirkten zum ersten Mal friedlich, und nun sah sie, dass er sicher nicht älter als fünfundzwanzig Jahre war.
Jette wollte ihn sanft aufwecken, bevor er zum Fuhrwerk getragen wurde. Wenn er erschrak, machte er womöglich eine unvorsichtige Bewegung, die die Wunde wieder aufbrechen ließ. Aber sie hatte seinen Arm kaum mit den Fingerspitzen berührt, da schlug er schon die Augen auf und drehte den Kopf zu ihr.
»Ich hatte gedacht, Sie seien nur ein Traum … Aber es gibt Sie wirklich. Sie heißen Henriette, nicht wahr?« Seine Stimme klang rauh und brüchig; dies waren seine ersten klaren Worte nach Tagen.
Sie wollte antworten, doch Kanonendonner und Schüsse nur ein paar hundert Meter entfernt zerrissen den Moment der Stille.
Der junge Offizier hob den Kopf. »Sind das die Unsrigen? Kommen sie zurück?«
»Nein. Lanskois Arrièregarde versucht, die Feinde aufzuhalten. Leutnant, Sie müssen schnellstens fort von hier! Draußen steht ein Fuhrwerk …«
»Ah, Lanskoi mit seiner gefürchteten Truppe!«, murmelte er zufrieden. »Die werden denen ganz schön einheizen …«
Jette wollte den Kopf aus der Tür stecken, um herauszufinden, aus welcher Richtung der Kampflärm erscholl. Die Antwort erhielt sie, noch ehe sie dazu kam, als der Student Felix in die Wache stürzte und aufgeregt rief: »Gefechte vor dem Donatstor! Die Letzten müssen sofort los, und zwar durch das Meißner Tor, dort sind noch keine Franzosen!«
Als Felix sah, dass der Verwundete aufstehen wollte, wehrte er erschrocken ab. »Bleiben Sie liegen, wir tragen Sie hinaus!«
»Ich kann gehen«, beharrte der Leutnant. »So schlimm steht es noch nicht, dass ich mich schleppen lasse wie ein Sack Mehl. Ich muss zurück zu meinen Männern.«
Jette ahnte, dass sie ihm dieses Vorhaben nicht ausreden konnte, also stützte sie ihn, als er sich aufrichtete.
»Bleiben Sie einen Moment sitzen, sonst wird Ihnen schwindlig«, ermahnte sie ihn. »Hier, trinken Sie.«
Er musste großen Durst haben, denn er leerte den Becher kühlen Wassers in langen Zügen.
»Sind alle meine Männer durchgekommen, die hier lagen?«, wollte er wissen, als er Jette den Becher zurückgab.
»Die meisten konnten schon am nächsten Tag weiter Richtung Dresden«, antwortete sie leichthin. Sie wollte verhindern, dass er sie nach einzelnen Namen und Schicksalen fragte, denn mehrere waren gestorben. Deshalb suchte sie krampfhaft nach einer Ablenkung.
»Ich habe Ihnen Ihr Hemd gewaschen und geflickt, während Sie schliefen.«
»Dann trage ich wenigstens ein sauberes Hemd, wenn ich exekutiert werde«, entgegnete er mit grimmigem Humor.
Sie zuckte bei seinen Worten zusammen, und er entschuldigte sich für die sarkastische Bemerkung.
»Im Fieber riefen sie oft zwei Namen: Julius und Philipp«, sagte sie, während sie ihm half, das frische Hemd vorsichtig über den Verband zu ziehen, der fast seinen ganzen Oberkörper bedeckte.
»Meine jüngeren Brüder«, murmelte er. »Noch ganz grün hinter den Ohren, aber schon bei der Brigade Steinmetz …«
»Ja, ich weiß, der Grenadier neben Ihnen hat es mir erzählt. Also fragte ich jeden, der hierherkam, ob er sie kennt. Ein Füsilier namens Jeschke, mittelschwere Kopfwunde, wusste Bescheid. Ich soll Ihnen ausrichten: Machen Sie sich keine Sorgen um die beiden; sie schlagen sich wacker, und er hat sie am Abend der Schlacht noch lebend gesehen.«
»Dem Himmel sei Dank!«, stöhnte der preußische Leutnant. »Und auch Ihnen dafür, dass Sie sich solche Mühe gemacht haben! Das ist … unfassbar …«
Er stemmte sich mit zusammengebissenen Zähnen hoch und verlor jede Farbe im Gesicht.
»Legen Sie den Arm um meine Schulter«, schlug Jette besorgt vor.
Der junge Offizier sah sie an und verzog das Gesicht zu einem merkwürdigen Lächeln – es war sehnsüchtig, bitter und spöttisch zugleich.
»Wie gern
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