1815 - Die Wiege des Teufels
genau verstanden.
Er kam näher. Auf dem glatten Boden waren seine Schritte kaum zu hören. Das Gesicht lag frei. Auf seinen Lippen lag ein kaltes Lächeln. Es zeigte auch einen gewissen Triumph, denn er stand kurz davor, seinen Plan zu erfüllen.
Als er die Wiege erreichte, hielt er an. Er bewegte seinen Kopf und schaffte es so, jeden einzelnen seiner Verbündeten anzuschauen. Das Kerzenlicht ließ ihre Gesichter irgendwie alle gleich aussehen, was ihn aber nicht weiter störte. Er stand kurz vor dem Ziel, und das konnte ihm jetzt keiner mehr nehmen.
Dann drehte er den Kopf und richtete seinen Blick auf eine Person. Es war die Mutter mit dem Kind.
»Du bist Laura, nicht wahr?«
»Ja, das bin ich.«
»Und dein Sohn heißt Gideon.«
»Das ist richtig.«
Justus Blake war zufrieden. »Und jetzt frage ich dich im Angesicht unserer Freunde. Bist du bereit, deinem Sohn eine besondere Taufe zukommen zu lassen?«
»Ja, das bin ich.«
»Und du weißt, in wessen Namen er getauft wird?«
»Ja. Im Namen des Teufels. Er ist unser Gott, unser Götze. In seinem Namen leben wir.«
Justus Blake war zufrieden. »Sehr gut«, lobte er und wandte sich an die anderen.
»Seht ihr das auch so?«
»Ja!«, erklang es im Chor.
»Dann bin ich zufrieden.«
Jemand hatte eine Frage. Der Kuttenträger hatte die Kapuze über den Kopf gestreift, und sein Gesicht war nur undeutlich zu erkennen.
»Wird sich der Teufel zeigen?«
»Das hoffe ich doch.«
»Und wie?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Blake. »Ich weiß es wirklich nicht. Die Hölle und damit auch der Teufel haben ihre eigenen Gesetze.«
»Aber wer tauft das Kind? Einer von uns?«
»Nein!«, rief die zweite Frau der Gruppe zu. »Wenn hier jemand tauft, dann ist es unser Herr und Meister. Der Teufel wird es übernehmen, und wir dürfen Zeugen sein.«
»Aber wie will er es machen? Wird er die Hölle verlassen, um zu uns zu kommen?«
»Alles ist möglich. Für ihn gibt es keine Grenzen. Er hat das geschafft, von dem viele Menschen nur träumen. Ich freue mich auf die Taufe, und das solltet ihr auch.«
Die Zuhörer sagten nichts mehr, sie waren jetzt begierig, endlich an dem Ereignis teilzunehmen.
Justus Blanke trat noch dichter an die Wiege heran. Er wusste, was er zu tun hatte. Zunächst machte er nichts. Er wartete darauf, dass ihm der Junge gebracht wurde, und das war auch der Fall. Laura trug das Kind zu ihm.
Nur ihre Schrittgeräusche waren dabei zu hören. Die Zuschauer sagten nichts. Sie standen einfach nur da und schauten, denn die Spannung nahm immer mehr zu.
Dann hatte die Frau die Wiege erreicht.
Blanke nickte ihr zu. Danach bückte er sich und fasste nach der roten Decke. Er hob sie an und bereitete in der Mitte der Wiege so etwas wie eine kleine Höhle.
In der Kirche war es nie totenstill, auch wenn die Anwesenden nichts sagten. Im Hintergrund gab es immer wieder Geräusche, an die man sich gewöhnen musste.
Mal ein Knacken, mal ein Schaben. Da arbeitete das Holz, wobei es manchmal an ein Stöhnen oder Seufzen erinnerte, als wären hier verdammte Seelen gefangen.
»Bist du bereit, das Kind in die Wiege zu legen, Laura?«
Die junge Frau schaute den Mann nicht an, als sie mit gepresster Stimme sagte: »Ich bin bereit.«
»Dann lege dein Kind in die Wiege. Übergib es der mächtigen Macht der Hölle.«
Genau das tat sie. In ihrem Gesicht bewegte sich nichts. Sie vergoss auch keine Träne. Sie legte ihr Kind in die Wiege, trat zurück, dann packte sie die beiden Enden der Decke und legte sie über das Gesicht und auch den Körper.
Alles Weitere lag nicht mehr in ihrer Hand …
***
Wir hatten die Kirche erreicht. Der Platz davor war noch leer. Dort hätten wir unseren Rover abstellen können, was wir aber nicht wollten. Er wäre zu schnell entdeckt worden, und so fuhren wir wieder ein Stück von der Kirche weg.
»Zufrieden?«, fragte ich und schaute Suko dabei an.
»Natürlich.«
»Dann können wir warten.«
»Wie immer.«
Beide grinsten wir. Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass es bald weiterging, und ich setzte darauf, dass wir letztendlich auch die Gewinner waren. Noch war die andere Seite nicht da, und wir sprachen darüber, ob es nicht besser war, wenn wir den Wagen verließen und uns der Kirche näherten.
»Warum?«, fragte ich.
»Weil es dämmert.«
»Ja, das ist schon okay.«
Wir verließen den Rover. Auch ich fand es besser, wenn wir näher am Geschehen waren. Die Kirche bildete so etwas wie einen Klotz in der einsetzenden
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