1815 - Die Wiege des Teufels
ihm klarmachen wollte, dass es bald so weit war.
Er wollte schon wieder in den Schutz der Kirche eintauchen, als er an einer bestimmten Seite und auch in einer bestimmten Entfernung etwas sah. Es war ein noch schaler Lichtschein, der auftauchte und im nächsten Augenblick wieder verschwunden war.
Für den heimlichen Beobachter war es klar, wer über den Weg fuhr, der direkt zur Kirche führte. Zwei Wagen reichten aus, um zehn Personen transportieren zu können.
Es waren auch zwei Fahrzeuge, wie er sehr bald feststellte. Sie mussten hintereinander fahren. Er musste nicht mehr lange warten, bis das Scheinwerferpaar in den dunklen Raum drang und an ihm vorbei schien.
Es erhellte bereits die Kirche, während die beiden Wagen noch die letzten Meter fuhren und dann nebeneinander stehen blieben. In den ersten Sekunden tat sich noch nichts. Dann aber schoben sich die Türen auf und zehn Personen verließen die beiden Autos. Zuletzt stieg die Frau mit dem Kind aus. Es war ein Baby, konnte aber auch schon ein Kleinkind sein, so genau war das nicht zu erkennen, weil ein Tuch das Kind bedeckte.
Justus Blake stand in der offenen Tür. Er fühlte sich plötzlich wahnsinnig gut. Seit er wusste, dass das Kind mitgebracht wurde, ging es ihm besser.
Keiner sagte etwas. Die Männer nickten ihm zu und gingen an ihm vorbei in die Kirche. So war es auch abgemacht worden. Die beiden Frauen kamen zum Schluss. Sie trugen Kopftücher und schwarze Umhänge. Beide blieben zusammen, als Justus Blake seine Arme ausstreckte und sie so stoppte.
»Was ist los?«, wurde er gefragt.
»Ich will das Kind sehen.«
»Du meinst den Jungen?«
»Ja, verdammt.«
»Es geht ihm gut.« Gesprochen hatte immer nur die Frau, die das Kind gehalten hatte.
»Das glaube ich dir. Aber ich will es sehen. Mit den eigenen Augen begutachten. Verstehst du?«
»Schon klar.«
»Dann lass es sehen.«
Die Trägerin schlug die Decke zur Seite, sodass der Kopf freilag.
Justus Blake schaute geradewegs in das Gesicht. Ein Gedanke schoss ihm dabei durch den Kopf.
»Das ist niemals ein Baby«, flüsterte er. »Das ist schon ein Kleinkind.«
»Ja.«
»Wie alt ist er denn?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und wie heißt er?«
»Gideon.«
»He, das ist ein ungewöhnlicher Name.«
»Das weiß ich. Aber er hat ihn nun mal bekommen. Und dabei bleibt es auch.«
»Schon gut.« Blake nickte. »Kennst du auch die Eltern?«
»Die Mutter.«
»Und?«
»Sie ist okay.«
Blake verengte die Augen. Dann pfiff sein Atem in das Gesicht der Frau, und er grinste dabei. »Kann es sein, dass du die Mutter von Gideon bist?«
»Und wenn schon.«
Blake überlegte, was er sagen sollte. Er sagte nichts, sondern nickte nur. Ein Zeichen, dass er damit einverstanden war. Bevor sie die Kirche betraten, hielt er die Frau noch fest.
»Da ist noch was.«
»Ja?«
»Wirst du zulassen, dass er heute seine Taufe empfängt, die ihn so sagenhaft stark macht, weil dann die Kraft der Hölle einzigartig hinter ihm steht?«
»Ich werde es zulassen, denn jede Mutter will das Beste für ihr Kind.«
Blake schaute in das Gesicht, das einen starren Ausdruck zeigte. Dann lachte er und meinte: »Das hast du gut gesagt, wirklich sehr gut. Alle Achtung!«
»Denn lass uns endlich in die Kirche gehen.«
»Das werden wir auch, meine Tochter. Und ich kann dir sagen, dass die Wiege schon bereit steht.«
»Das will ich hoffen.«
Sie gingen die letzten Schritte auf die offene Kirchentür zu. In der Kirche hatte sich das Aussehen verändert. War es zuvor noch dunkel im Innern gewesen, so konnte man jetzt davon nicht mehr sprechen. Die Kirche war zwar nicht strahlend hell erleuchtet, aber heller war es schon geworden, und das lag an den Kerzen.
Sie standen überall im Kirchenraum. Sie waren geschickt verteilt worden und leuchteten die Kirche aus.
Als die Tür der Kirche geschlossen wurde, gab es einen letzten Luftzug, der über die Flammen hinweg fuhr und diese in Bewegungen versetzte.
Das Flackerlicht huschte über die Wände und auch über die anwesenden Personen, deren Gesichter sich in geisterhafte Fratzen verwandelten.
Justus Blake wurde von den beiden Frauen eingerahmt. Eine trug das Kind, die andere hatte ihre Hände frei.
Die Gleichgesinnten hatten sich hinter dem Altar aufgebaut, denn dort stand jetzt die Wiege. Sie hielten einen gebührenden Abstand, und so wurde die Person nicht behindert, wenn sie das Kind in die Wiege legte.
Die Frau blieb neben der Wiege stehen, denn sie hatte Blakes Befehl
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