1816 - Hüter der Glückseligkeit
Himmel noch grün gefärbt sein und die Wolken rosa. Nein, dies ist eine pure Kunstwelt, entweder rein aus der Phantasie geschöpft oder aber einer Realität an anderem Ort oder zu anderer Zeit abgekupfert."
Die wichtigste Frage hatten wir gleich in den ersten Sekunden geprüft: Es wurde auf uns kein hypnotischer Zwang ausgeübt. Es stand uns frei, den Schritt zu wenden und umzukehren. Zurück in die handfeste Realität von HerzFÜNF, wo ein grimmiger Andro-Hüter mit einer bemerkenswert scheußlichen Waffe auf uns wartete.
Wir schritten vorsichtig über das Oberdeck dieses Schiffes. Ich war kein Experte auf diesem Gebiet, konnte also nicht sagen, ob es sich um einen Kutter, einen Schoner, eine Schebecke oder was auch immer handelte. Das Schiff hatte zwei sehr hohe Masten - und allem Anschein nach keine Besatzung.
Niemand war zu sehen. Die Türen, ebenso wie das ganze Schiff aus dunkelbraunem Holz gefertigt, standen offen.
Perry und ich wechselten einen raschen Blick.
„Versuchen wir es?" fragte ich.
„Nach dem Rundgang", schlug Perry vor.
Wir folgten dem Verlauf der Reling und blickten hinaus in die Weite des Gelben Meeres. Es gab kein Land zu sehen, weder im Süden noch im Norden, Westen oder Osten. Das Schiff trieb ganz allein auf dem Meer.
Ich sah, wie Perry sich am Bug über die Reling beugte und einen seitlichen Blick auf das Bugspriet erhaschen wollte.
„Marie Celeste?" fragte ich.
Perry grinste nur und beugte sich zurück.
„Kein Eigenname zu sehen", informierte er mich.
Etwas plätscherte an Backbord oder war es Steuerbord? Ich kann das so schwer auseinanderhalten.
Links jedenfalls, in Fahrtrichtung gesehen.
Wir beugten uns über die Reling. Tief unter uns zischte etwas durch das Wasser, ein langes, schwarzes Phantom. Es schickte einen perligen Wasserstrahl in die Höhe, bis knapp unter die Reling, dann tauchte das Wesen in die Tiefe ab und war verschwunden.
„Eine perfekte Illusion", stellte ich fest.
Es war klar, daß es sich um eine künstlich herbeigeführte Sinnestäuschung handeln mußte, denn wenn ich zurückblickte, konnte ich das Portal sehen, durch das wir auf das Schiff gelangt waren.
In der einen Richtung, von der Straße aus nach innen, war nichts zu sehen gewesen von dem, was hinter der Schwelle existierte. Vom Deck aus aber konnte man durch das Portal - es schien in einen hohen Heckaufbau zu führen - auf die schwarze Straße blicken und die Konturen der weißen Häuser von Herz-FÜNF wahrnehmen.
Hätte es in dem Portal einen Transmitter gegeben, wäre dieser Durchblick nicht möglich gewesen, jedenfalls nicht mit der bekannten Technologie, die uns Menschen des 13ten Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung geläufig war.
Und daß man in einem gewöhnlichen Galornenhaus keinen Großsegler samt Gelbem Ozean unterbringen konnte, lag ebenfalls auf der Hand. Also handelte es sich bei unserer Umgebung um Illusion, perfekt gemacht, wie ich zugeben mußte. Es blieb die Frage, ob es sich um eine perfekte holografische Simulation handelte oder um eine eher psychotechnische Projektion in unsere Gehirne.
Eine Holographie hätte man durchschreiten können, sie wirkte nur auf das Auge und das Gehör; taktile Sinnestäuschungen dieser Perfektion gab es nicht. Man konnte während einer Holo-Konferenz seine Freundin zwar sehen und hören, aber riechen und begrapschen konnte man sie nicht.
Glücklicherweise: Man stelle sich vor, was herausgekommen wäre, hätten Tausende von Zuschauern gleichzeitig ihrer Verehrung für irgendeinen Trividstar Luft gemacht.
„Was geht dir durch den Kopf?"
Perry war stehengeblieben und dachte nach.
„Ich frage mich, wozu dieser Aufwand gut ist", sagte er leise. „Ist er für uns, die Besucher, bestimmt?
Kaum, denn man will uns ja mit allen Mitteln fernhalten. Eine Art von Museum für galornische Geschichte und Kultur? Da gilt dasselbe. Nein, ich glaube, daß diese Häuser genau so, wie wir sie vorfinden, für die früheren oder künftigen Bewohner der Stadt bestimmt sind. Dies ist die Umgebung, das Ambiente, in dem sich die Galornen wohl fühlten, als sie diese Stadt noch bewohnten."
Die Galornen, das hatten wir recht bald erfahren, waren die früheren Bewohner dieses Planeten und auch der Stadt gewesen. Jetzt gab es sie nicht mehr, oder nur sehr vereinzelt. Jedenfalls wohnten sie heutzutage nicht mehr in Gaalo.
„Du meinst ...?"
„Wir richten unsere Häuser nach unseren Wünschen und Bedürfnissen ein, entsprechend unserem Geschmack und
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