1822 - Ich jagte die böse Äbtissin
erklärte, dass wir uns im Kloster umschauen wollten.
»Aber da gibt es nichts zu sehen.«
»Abwarten«, sagte ich.
»Es ist alles normal. Ich verstehe ja auch nicht, wie das mit Ramona passieren konnte. Und ich fürchte mich schon vor Clarissas Reaktion.«
»Abwarten. Wir sind ja auch noch da.«
Jetzt hatte Suko auch eine Frage. »Hast du denn im Kloster eine Vertraute oder eine Freundin, der du alles sagen kannst?«
»Ja, schon.«
»Das ist gut.«
»Wie soll es nun weitergehen?«, fragte sie.
»Keine Ahnung.« Suko sah mich an. »Hast du schon einen Plan, John?«
»Ja und nein, für mich ist es wichtig, dass ich mit der Äbtissin spreche.«
»Das wird nicht leicht sein«, meldete sich Pia.
»Wieso?«
»Ganz einfach. Sie spricht nicht mit jedem. Und sie ist auch nicht immer zu sprechen.«
»Ist sie dann weg?«, wollte ich wissen.
»Ja und nein.«
»Was heißt das?«
»Sie kann noch im Kloster sein und ist trotzdem nicht da. Dann steckt sie in ihrer Kapelle.«
»Aha.«
»Und da darf niemand sie stören.«
»Bist du denn schon dort gewesen?«, fragte ich.
Pia schüttelte den Kopf. »Nein, das bin ich nicht. Ich weiß auch nicht, was sich hinter der Tür verbirgt. Man spricht von einem großen Geheimnis, das die Welt verändern kann.«
»Gut«, sagte ich. »Dann werden wir mal schauen, wie alles so läuft, und auf diese Äbtissin bin ich gespannt.«
»Niemand sollte sie unterschätzen«, sagte Pia.
»Keine Angst, das tun wir auch nicht …«
***
Die Fahrt dauerte wirklich nicht mehr lange, bis wir unser Ziel erreicht hatten. Das Kloster lag an der rechten Seite der Straße und war von einem recht gepflegten Grundstück umgeben.
Das Wetter hatte auch die Nonnen ins Freie getrieben. Sie arbeiteten vor dem Haus und hackten dort den Boden auf. Es waren zwei Frauen, die ihre Arbeit unterbrachen, als sie sahen, wer aus dem BMW stieg. Sie taten aber nichts und schauten nur zu, wie wir über einen schmalen Weg zum Haus gingen. Das Gebäude hatte zwei Stockwerke. Es gab keine Mauern, keinen Klosterhof, die Felder lagen außen und wurden von den Nonnen bestellt.
In den Scheiben der Fenster sammelten sich die Sonnenstrahlen, und sie ließen auch das Dach bläulich schimmern.
Ich nahm die Eindrücke im Gehen auf und blieb vor der geschlossenen Eingangstür stehen. Sie war recht breit. Ich dachte daran, dass dieses Kloster nicht eben groß war, und ging davon aus, dass hier nicht viele Nonnen lebten.
»Hat eigentlich jede Nonne ein Zimmer?«, wollte Suko wissen.
»Ja, das haben wir.«
»Aber als unbedingt groß schätzen wir das Kloster nicht ein.«
»Das ist wahr. Wir haben hinten noch unsere Gärten und unser kleines Feld.«
»Wovon lebt ihr denn?«
»Nun ja, hin und wieder verkaufen wir etwas, das wir selbst hergestellt haben. Ansonsten sorgt Clarissa dafür, dass es uns an nichts fehlt. Geld ist immer da.«
»Durch sie?«
»Ja – nur.«
Das hörten wir auch zum ersten Mal, fragten aber nicht mehr weiter, wie die Äbtissin es schaffte, die Kohle anzuschaffen. Das war im Moment nicht wichtig.
Dafür wurde uns die Tür geöffnet. Im ersten Augenblick erschrak ich, als ich die Frau sah, die vor uns stand. Sie hatte ein hageres Gesicht und sah ausgemergelt aus, und man konnte fast von einem bösen Blick sprechen, mit dem sie uns anschaute.
»Da bist du ja! Was sollen die beiden Männer?«
»Die haben mich hergebracht.«
»Das sehe ich. Wo ist Ramona?«
»Nicht mehr da.«
»Wie?«
»Sie ist tot«, sagte ich und rechnete damit, dass ich der Hageren einen Schock versetzte.
Das war aber nicht der Fall. Sie stieß nur einen leisen Ruf der Überraschung aus. Dann lachte sie.
»Ramona kann nicht tot sein.«
»Ist sie aber«, sagte Suko. »Und genau deshalb sind wir auch hier, weil wir mit der Äbtissin reden wollen.«
»Das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil sie nicht hier ist.«
»Dann warten wir.«
»Nein, auf keinen Fall. Das ist kein Ort für Männer. Sie können wieder gehen. Wenn etwas wichtig ist, wird sich die Äbtissin bei Ihnen melden. Ist das klar?«
»Aber es ist wichtig, Schwester.« Pia nickte heftig. »Sogar sehr wichtig.«
»Du hast hier gar nichts zu sagen, aber komm rein. Und Sie beide verschwinden endlich.«
»Nein, das werden wir nicht. Wir bleiben, da können Sie sich auf den Kopf stellen.«
»Wollen Sie, dass ich die Polizei rufe?«, fuhr sie uns an.
Ich lächelte und sagte: »Das ist nicht nötig. Die Polizei sind wir.« Um meine Worte zu unterstreichen,
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