183 - Die Stadt Gottes
gefunden hat. Die Rev’rends wissen also inzwischen, dass sie nicht unverwundbar sind.«
»Und dass wir eine hübsche kleine Bleispritze haben, wissen sie auch«, feixte Dirty Buck.
»Leider nur eine«, sagte Mr. Black. »Und die gilt es möglichst wirkungsvoll einzusetzen, denn nach Flames Tod werden die Gottesmänner jeden aus dem Weg räumen, der sich nicht eindeutig zu ihnen und ihrer Weltsicht bekennt. General Crow, Miss Hardy, Mr. Hacker und die anderen sind in Lebensgefahr. Wir müssen schnell handeln.« Er wandte sich wieder der Wandkarte zu. »Hier, im Fordtheater, haben die Rev’rends also ihr Hauptquartier aufgeschlagen.« Black deutete auf einen rot markierten Kreis auf dem Plan.
»Hier in der Schnapsbrennerei beziehungsweise der Ruine des Polizeigebäudes halten sie und ihre Bußwächter unsere Leute gefangen. Hier hat Stock sein Schnapslager, und in den Kellerräumen der Ruine, in der ehemaligen Tiefgarage, haben die Rev’rends ihre Pferde und Wagen untergebracht.« Er drehte sich um und wandte sich an die Mädchen. »Das habe ich doch richtig verstanden, Miss Loola und Miss Peewee?« Beide nickten.
»Wo genau sie ihre schweren Waffen deponiert haben, konnten unsere Späher bisher noch nicht zweifelsfrei klären. Vermutlich in ihrem Hauptquartier…«
»… oder im alten Stadion«, unterbrach Garrett. »Nach dem Mord an einem der Ihren werden die Rev’rends sich und diese Veranstaltung mit allen Mitteln zu schützen versuchen.«
»Das stimmt«, räumte Black ein. »Rechnen wir also mit Kanonen und dem Maschinengewehr im Stadion. Sicher aber ist eines: Wir müssen spätestens morgen nach Sonnenuntergang losschlagen, denn dann beginnt die große Bußveranstaltung und die ersten offiziellen Hinrichtungen drohen, wie wir aus verschiedenen Quellen wissen. Hören Sie also meine Vorschläge, Ladies und Gentlemen…«
***
»Alle haben unterschrieben.« General Crow reichte den Zettelstapel durch die Gitterwand nach draußen. Miss Hardy beobachtete ihn und den Rev’rend von ihrem Fensterplatz aus, den sie seit zwei Tagen nicht mehr verlassen hatte. Sie aß und trank kaum noch etwas, empfand dennoch einen bohrenden Hunger und einen brennenden Durst – nach der Freiheit.
»Das ist gut.« Rev’rend Sweat nahm die Papiere entgegen. »Sehr gut ist das.« Boothcase und Yanna sammelten die Bußerklärungen aus den Nachbarzellen ein. »Hat der HERR euch also doch noch erleuchtet«, sagte der Zylindermann salbungsvoll. »Da werden der Erzbischof und der Bischof sich freuen.«
»Genaues wissen wir doch erst morgen Abend, Rev’rend Sweat«, sagte Yanna. »Ich jedenfalls werde mich erst freuen, wenn der letzte dieser Sünder hier seine Sünden öffentlich bekannt und Buße getan hat.«
Honeybutt hasste die kleine drahtige Frau mittlerweile. Yanna wurde mit jedem Tag arroganter.
Auch dem Rev’rend gegenüber war sie längst nicht mehr so respektvoll wie am Anfang. Jedenfalls kam es Miss Hardy so vor.
Rev’rend Sweat, Yanna, Boothcase und ihre Knechte nahmen die leeren Brotkörbe und Wasserkrüge, dann zogen sie ab. Getuschel und Gemurmel erhoben sich unter den Gefangenen. Mr. Hacker, Amoz Calypso, die Sirwig, Ozzie und ein paar andere steckten die Köpfe zusammen.
Alle unterschreiben, so hatte die Vereinbarung gelautet. Auch Honeybutt war ihr gefolgt. Und morgen Abend wollten sie alle die Buße verweigern und so die Leute von Waashton auf diese Weise zu einem Aufstand gegen die frommen Männer aufstacheln. Oder zumindest für Chaos sorgen; Chaos, das Black, Trashcan Kid und die Bunkerleute dann hoffentlich für einen Angriff nutzen würden.
Miss Hardy blickte zum Zellenfenster hinaus.
Eiszapfen hingen von den Dachrinnen. Es schneite nicht mehr. Der Himmel war blau und die Luft klirrte vor Kälte. Sie dachte an die Eusebia, an Sigur und Ben-Bakr.
Ihr wurde warm ums Herz. Selbst wenn morgen alles schief gehen sollte – Sigur und die ehemaligen Rudersklaven würden sie heraushauen. Sie würden es zumindest versuchen.
Honeybutt drehte sich um. Ihr Blick fiel auf Arthur Crow.
Er und Peterson saßen schweigend nebeneinander. Vor zwei Nächten hatte sie die Männer tuscheln gehört, ohne allerdings ein Wort verstehen zu können. Der Plan der Gefangenen stammte von Crow.
»Sie werden es nicht wagen, uns alle hinzurichten«, hatte der General gesagt. »Mit einem solchen Massenmord würden sie ihr Regime eigenhändig stürzen.«
Honeybutt hatte seinem Vorschlag spontan zugestimmt. Warum nur wurde sie
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