1833 - Trokans Tor
bestimmt, abgesehen mal von dem Ritual der Gebetstrance, das jedoch nur einem einzigen Zweck dient. Sie haben also nie für eine bessere Ernte oder Liebeszauber irgendwelchen Hokuspokus veranstaltet? Die Priester hätten sich ihre Stellung dadurch doch verbessern können!"
„Nein, ich sagte bereits, daß es keine Hierarchie gibt. Dementsprechend will auch niemand Macht in dem Sinne, wie wir sie kennen, ausüben. Der Glaube spielt weder im täglichen Leben eine Rolle noch beim Tod! Die Herreach machen sich darüber nicht die geringsten Gedanken. Nach dem Ablauf von ungefähr 110 terranischen Jahren sind sie eben alt und sterben. Nach dem Motto: Das war’s. Keine Trauer, kein Gedenken, kein Bergräbnis. Tote Herreach werden einfach irgendwo verscharrt, damit sie zu dem Staub werden können, aus dem Trokan besteht. Wenn einer krank wird und früher stirbt oder ermordet wird, Pech. Das bekümmert niemanden, nicht einmal Freunde oder frühere Liebespartner."
„So gleichgültig wirken sie aber gar nicht", widersprach Nadja hartnäckig. „So hingebungsvoll, wie sie sich in die Trance versetzen und diese unglaublichen Geschöpfe erschaffen ..."
„Sie sind nicht gleichgültig, aber gehen alles mit einer stoischen Ruhe an. Sie akzeptieren alles, nehmen es einfach hin, weil es so ist. Wenn einer das Bedürfnis hat, Handwerker zu werden, wird er das. Will er Clerea werden, auch kein Problem. Jeder tut das, wofür er sich berufen fühlt, und keiner kommt auf die Idee, ihn daran zu hindern. Etwa durch langjährige harte und teure Ausbildungen, Prüfungen, Standesdünkel oder was auch immer."
Myles Kantor seufzte.
„Offen gestanden, ich möchte zwar kein Herreach sein, aber dieses Volk ist irgendwie unglaublich frei, und darum beneide ich es. Es gibt keine Ängste, Auseinandersetzungen und Rivalitäten. Keine Verrückten, die die Weltherrschaft anstreben oder so was."
„Aber auch keine Liebe, Träume, Sehnsüchte, Hoffnungen", sagte Mila leise. „Keine Sentimentalitäten, impulsive Glücksgefühle ..."
„Wo Licht ist, ist auch Schatten", zitierte Myles lächelnd. „Aber ich glaube nicht, daß sie etwas vermissen. Weil sie es nicht kennen. Sie sind vollkommen zufrieden."
„So wird es aber nicht bleiben", orakelte Nadja. „Der Einfluß des stetigen Zwielichtes ist vorbei und damit vermutlich auch die Zeit der Ausgeglichenheit und Gleichgültigkeit. Die Herreach müssen zu Tagwesen werden, obwohl ihnen das Sonnenlicht Schmerzen zufügt. Sie verfügen nicht über eine Nachtsichtigkeit, und die technischen Möglichkeiten sind gering und Rohstoffe sehr selten. Sie werden sich an den Wechsel von Hell und Dunkel gewöhnen, ebenso daran, daß manches im Dunkel verborgen werden kann. Sobald es die ersten Geheimnisse gibt, sind auch die ersten Unterschiede geboren -und sie werden über sich selbst und die übrigen anders denken."
„Verdirb mir doch nicht alles!" Der Wissenschaftler hob die Hände und lächelte. „Dennoch glaube ich nicht, daß die Herreach jemals so werden wie wir und die übrigen Galaktiker. Dafür ist ihre Entwicklung einfach zu verschieden verlaufen."
Er schaute sinnend durch das Fenster nach draußen.
„Und sie wollen weiterhin nichts mit uns zu tun haben ... glücklicherweise", fügte er hinzu.
7.
Die Mahnerin Bald darauf sollte es für die Zwillinge zum ersten persönlichen Kontakt mit den Herreach kommen. Vej Ikorad, Tandar Sel und der Herreach mit der violetten Kutte fanden sich ein, begleitet von Jerry Argent. Sie waren bereits in eine Unterhaltung vertieft, als sie den Raum betraten.
Vej Ikorad äußerte sich über die neuerliche Erfolglosigkeit des letzten Gebetes und verlangte zum wiederholten Mal, daß die Zahl der zugelassenen Herreach auf 400 erhöht werden sollte.
Ebenso wiederholt lehnte Jeromy Argem ab mit derselben Begründung, daß sämtliche Metaphysik nichts ausrichten konnte, um eine Tür zu öffnen. Ob 200 oder 400 oder gar 1000 Herreach, das könne dabei keine Rolle spielen.
„Das ist nicht einfach eine Tür", sagte Tandar Sel.
„Und eben darum haben wir Unterstützung angefordert", antwortete Jerry Argent und wies auf die Schwestern.
„Darf ich vorstellen: Mila und Nadja Vandemar. Sie sind von Camelot gekommen, um euch mit ihren PSI-Kräften zu unterstützen. Ich bin mir sicher, daß ihr mit ihrer Hilfe mehr Erfolg haben werdet."
Damit zog er sich zurück, weil er angeblich viel zu tun habe. Die beiden Spiegelgeborenen wußten jedoch, daß er sich in
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