1837 - Nacht-Phantom
flog nicht mehr so hoch. Er näherte sich immer weiter dem Boden, ohne ihn allerdings zu berühren, und er löste sich auch nicht auf.
»Der hat was vor«, murmelte Bill.
Dagegen konnte ich nichts sagen, aber ich war gespannt, was die andere Seite vorhatte.
Die Fledermäuse schwebten jetzt relativ dicht über dem Boden. Was auch so blieb, und so konnte man auf den Gedanken kommen, dass dieser Pulk auf etwas wartete, was gleich passieren würde.
Das Schwirren der Schwingen hörte sich an wie ein Motor, der in der Luft angestellt worden war. Ein paar Fledermäuse hatten sich von ihrem Pulk gelöst und flogen ihre Kurven höher in der Luft, wobei sie uns recht nahe kamen.
Ungefähr für die Dauer von gut zehn Sekunden schwebten sie über unseren Köpfen, dann glitten sie wieder zu den anderen und reihten sich dort ein.
Es war noch nichts passiert, aber wir gingen davon aus, dass das, was wir hier sahen, nicht grundlos geschehen war. Hier würde sich noch etwas ereignen.
»Die Tiere warten auf etwas«, sagte Bill, »und ich denke mir, dass sie auf ihren Chef warten.«
»Ja, den du schon gesehen hast.«
Bill hob einen Arm. »Ich gehe davon aus, ihn gesehen zu haben. Mehr nicht.«
»Schon gut.« Das Thema ließ ich fallen, denn ich kannte meinen Freund. Er war jemand, der recht schnell an die Decke ging.
Plötzlich schoss der Pulk der Fledermäuse in die Höhe. Es sah aus, als hätte sich jedes Tier erschreckt. Die Masse blieb allerdings beieinander, und dann bekam sie den Nachschub, auf den sie offenbar gewartet hatte. Aus dem Gewölbe löste sich die Masse von Tieren, die endlich ihren Weg ins Freie gefunden hatte.
Der Eingang war eigentlich zu klein. Schon nach Sekunden sah er wie verstopft aus. Alle wollten auf einmal die unterirdische Welt verlassen.
Es war wirklich eine gewaltige Masse an Fledermäusen, die sich jetzt zu ihren Artgenossen begaben, die den ersten Pulk bildeten. Und so wurde er noch größer. Er bildete vor dem Eingang eine regelrechte Mauer oder einen Schutz, der alles von dem Gewölbe abhalten wollte, was sich als Feind zeigte.
Wir beobachteten, ohne einen Kommentar abzugeben. Dieser Pulk hatte uns die Sicht genommen. Wir wussten nicht, ob hinter ihm etwas geschah.
Und dann war es so weit. Der Pulk löste sich auf. Er spaltete sich in vier Teile, die vom Erdboden her in den Himmel stiegen und sich hoch über unseren Köpfen wieder trafen und einen neuen noch größeren Pulk bildeten.
»Was haben die wohl vor, John?«
»Keine Ahnung.«
»Gehst du denn davon aus, dass sie uns entdeckt haben?«
»Ja, ganz bestimmt.«
»Dann rechnest du mit einem Angriff?«
»Den schließe ich nicht aus«, sagte ich.
Sollte es wirklich zu einem Angriff kommen, dann sah es böse für uns aus. Ich wusste nicht, wie wir dieser gewaltigen Übermacht entgegentreten sollten. Wahrscheinlich mussten wir uns ein Versteck suchen, wo sie nicht an uns herankamen.
Aber das zu finden war unmöglich. So oder so steckten wir in einer nicht eben angenehmen Lage. Sie hätten uns längst attackieren können, hatten es aber noch nicht getan.
Warum nicht?
Ich wollte mit Bill darüber reden, als sich alles veränderte. Es war noch nicht finster, das will ich mal vorwegnehmen, und das musste es auch nicht sein. Wichtig war, dass keine Sonne schien, und so konnte es der Vampir wagen, sein Nachtquartier zu verlassen. Er hatte sich mit Scottys Blut sättigen können, vertraute auf seine Kraft und musste nicht die Finsternis und das Licht des Vollmonds abwarten.
Er kam.
Er blieb vor dem Eingang stehen, und ich hörte Bill flüstern, der eine Gänsehaut bekommen hatte.
»Verdammt, das ist er …«
***
Ja, da stand er. Wir befanden uns nicht in seiner unmittelbaren Nähe, aber wir waren nahe genug, um ihn gut erkennen zu können. Er war größer als ein Mensch, und natürlich trug er dunkle Kleidung. An seinem Rücken wuchs etwas. So genau erkannten wir es nicht, aber es konnte sich durchaus um ein Flügelpaar handeln.
Wie sein Gesicht aussah, war für uns nicht zu erkennen. Zu groß war die Distanz zwischen uns.
»Und jetzt?«, murmelte Bill.
»Keine Ahnung.«
»Da muss doch was passieren.«
»Kann sein. Ich rechne auch damit.«
Im Moment tat sich nichts. Der Blutsauger stand weiterhin auf dem Fleck und schien seine Freiheit erst mal zu genießen. Er konnte sich auf seine Freunde verlassen, die über ihm in der Luft schwebten.
»Das sind seine Leibwächter«, meinte Bill, »oder?«
»Das sehe ich auch
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