1838 - Der Begleiter
Boden.
Ich holte Luft.
Verdammt, ich konnte auf einmal wieder tief durchatmen.
Warum war das möglich? Warum griff die andere Seite nicht mehr ein? Warum sollte ich nicht mehr sterben?
Die Fragen prasselten auf mich ein, aber ich schob sie zur Seite, denn ich erlebte etwas anderes. Ich wusste jetzt, was mich gerettet hatte.
Das war mein Kreuz gewesen. Es hatte einen Widerstand aufgebaut, und auf ihn hatte ich mich verlassen können. Er war stärker gewesen als diese verdammte Gestalt aus der Hölle.
Ich rollte mich auf die Seite und gab mir Schwung, um auf die Beine zu kommen. Sofort suchte ich nach dem Begleiter, der aber war nicht mehr zu sehen. Ihm war die Flucht gelungen.
Dafür hielt sich Peter Dawsons Zweitkörper noch in meiner Nähe auf. Er starrte mich an, er sah aus wie ein Mensch, aber er war keiner mehr.
Ich ging auf ihn zu.
Von einer anderen Stelle her hörte ich die Stimme meines Freundes Suko. »Keine Sorge, John, ich stehe bereit.«
»Ja, danke.«
Zuschauer gab es genug. Das passte mir zwar nicht, aber ich bekam sie auch nicht weg. Sie hatten eine normale Beerdigung erleben wollen, und was bekamen sie geboten?
Eine Horrorgeschichte, die noch immer nicht beendet war. Wohl aber für Peter Dawsons Schwester, die nicht mehr auf dem Boden liegen bleiben wollte. Sie riss sich zusammen, kam auf die Beine und rannte schreiend davon.
Das taten die anderen Trauergäste nicht. Sie blieben auf ihren Positionen, auch wenn sie die etwas verändert hatten und weiter zurückgegangen waren. So hatten sie praktisch den Kreis vergrößert.
Ich wollte mir den Zweitkörper holen. Dabei war ich mir nicht sicher, wie ich das schaffen konnte. Wenn ich zugriff, dann hindurch und …
Er huschte weg.
Für einen winzigen Moment hatte ich ihn noch überdeutlich wahrnehmen können, dann war er nicht mehr vorhanden und wieder zurück in seine Welt getaucht.
Es schaffte die Grenzübertritte spielend, während ich das Nachsehen hatte und ins Leere starrte.
Es gab den Begleiter nicht mehr, und es gab auch Sir Peter Dawsons Zweitkörper nicht.
Wir waren wieder allein und mussten davon ausgehen, dass man uns gelinkt hatte …
***
Die Beerdigung war vorbei. Es wurde keine Rede mehr gehalten. Es würde der Totengräber kommen und die Erde, die zu einem Hügel aufgetragen worden war, wieder in das Grab schaufeln und später die Kränze und Gestecke darauf legen.
Man hatte uns Fragen gestellt, die wir nicht beantworten wollten. Für uns war jetzt wichtig, dass die Leute nach Hause gingen. Aber nicht alle taten uns den Gefallen. Einige sperrten sich und wollten wissen, wer diese Gestalten waren.
Es war eine Schau!
Auf diesen Satz hatten wir uns geeinigt. Ich hatte ihn auch mehrmals wiederholt. Er war letztendlich akzeptiert worden, und so hatten wir unsere Ruhe. Nur einige wenige Personen hatten daran etwas Übersinnliches gesehen. Die meisten hatten sich mit dieser Antwort zufriedengeben müssen.
Eine Person aber blieb zurück. Es war die Schwester des Toten. Sie war zurückgekehrt und trat dicht an uns heran, als hätte sie Angst davor, gehört zu werden. Sie schaute uns an und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie, »nein und nochmals nein.«
»Was meinen Sie?«, fragte Glenda.
»Ich glaube Ihnen nicht. Ich glaube Ihnen nicht, was Sie da gesagt und erklärt haben. Das war eine perfekte Ablenkung. In Wirklichkeit steckt viel mehr dahinter.«
»Was meinen Sie?«
»Es ist alles echt.« Sie nickte mir zu. »Das ist kein Spiel gewesen. Keine Schau, die sich jemand ausgedacht hat, daran glaube ich einfach nicht. Sie spielen uns etwas vor. Sie wollten Ruhe haben, und die haben Sie auch bekommen.«
»Was sollten wir Ihnen denn vorspielen?«, fragte Glenda.
»Alles. Sie machen aus der Wahrheit eine Lüge. Das finde ich nicht gut. Aber das müssen Sie wissen.« Sie schnippte mit den Fingern. »Ach ja, noch etwas.«
»Bitte?«
»Ich möchte mich noch dafür bedanken, dass Sie mir das Leben gerettet haben.«
»Ach? Haben wir das?«
»Ja, wären Sie nicht gewesen, hätte man mich getötet. Ich wäre durch einen Toten umgekommen. Das habe ich wohl bemerkt. Danke noch mal. Und mein Name ist Doris Dawson. Ich bin nicht verheiratet. Ich konnte leider nicht verhindern, dass er dieses Flittchen geheiratet hat. Ihre Trauer war nur gespielt.«
»Und jetzt«, fragte Suko, »was haben Sie jetzt vor?«
»Ich gehe.«
»Haben Sie keine Angst?«
Sie überlegte einen Moment und kaute auf ihrer Unterlippe. »Doch, ich
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