184 - Die Herren von Sydney
tragen, der den Strapazen nicht gewachsen war.
Als Kaplan Willie die Mittagspausenglocke schlug, machte Roney sich mit seiner Schicht zu dem langen Marsch durch die Kellergänge auf. Er war fest entschlossen, den Vertrag mit dem Orden zu kündigen.
Doch als er Archers Drachenflieger entdeckte, die sich am blauen Himmel tummelten, begriff er, dass man die Suche nach ihm noch nicht aufgegeben hatte.
Im Kantinenzelt hörte er Bruder Chaalie beim Anstehen zu Nikodeemus sagen: »Sie suchen einen Deserteur. Er ist gegen einen Offizier tätlich geworden und hat sich mit einem Koffer voller Schusswaffen abgesetzt.«
»Hoffentlich hat er die Stadt verlassen« , erwiderte der Gelehrte. »Wenn sich herumspricht, was er bei sich hat, ist jede Stadtratze hinter ihm her.«
Liebe Güte, dachte Roney. Ich muss vorsichtig sein.
Momentan bin ich bestimmt der Einzige, den jeder gern in seine Hütte locken würde.
Er aß, kehrte in die Unterwelt zurück und setzte die Plackerei mit zusammengebissenen Zähnen fort.
Gegen Abend schmerzten alle seine Muskeln und er nahm sich vor, nach dem Essen in eine Taverne in der Hafengasse zu gehen. Wenn er eine Kanone an den richtigen Mann bringen konnte, brauchte er sich für das nächste Vierteljahr keine Gedanken mehr darüber zu machen, wie er an Stoff herankam.
Doch nach dem Essen war er so fertig, dass es ihm gerade noch gelang, sich ans Meer zu schleppen, auszuziehen und sich den Dreck und den Schweiß vom Leib zu spülen. Danach kehrte er mit klappernden Zähnen in die Unterkunft zurück, kroch unter seine Decke und schlief wie ein Toter.
Am nächsten Tag hatte Roney so schrecklichen Muskelkater, dass er sich schwor, Kaplan Willie gleich nach dem Frühstück zu sagen, dass er für solche Arbeit nicht geeignet war. Doch als er aus dem Kantinenzelt kam und die Flieger sah, die über dem Bauwerk kreisten, in dem eine Menge Arbeit wartete, verschob er seinen Entschluss auf den Abend.
Am Nachmittag grub der Trupp, dem Roney zugeteilt war, eine eiserne Kiste aus. Der Schichtführer schickte einen Boten zu Kaplan Willie. Willie kam kurz darauf in Begleitung des Gelehrten Nikodeemus, der Roney wie einem alten Freund auf die Schulter klopfte und mit dem Fund verschwand. Roney biss die Zähne zusammen und arbeitete weiter, bis die Schicht zu Ende war.
Am Abend war er zwar so fertig wie am Tag zuvor, aber der Muskelkater war weg. Roneys Hände zitterten nicht mehr. Plötzlich konnte er seinen Plan, am nächsten Tresen Abnehmer für seine Beute zu finden, ganz leicht auf den nächsten Tag verschieben. Er ging nach dem abendlichen Bad im Meer früh schlafen.
Die nächsten drei Tage verliefen ähnlich. Morgens ging es früh raus. Man arbeitete vier Stunden und machte Pause. Dann folgten die nächsten vier Stunden Arbeit, Abendessen, Bad, Bett.
Roney spürte, dass seine Muskeln wuchsen. Ihm fiel auf, dass er zwar immer noch nach Alk lechzte, aber wenn er am Abend mit den Wühlern zusammen saß und sich anhörte, was sie so erzählten, konnte er seine Gier bezähmen und seine Lust auf einen Drink manchmal sogar vergessen.
Die ständige Präsenz der Flieger machte ihm natürlich Sorgen, doch die aus einer sicheren Quelle kommende Meldung, dass Captain Archer nicht tot war, ließ ihn aufatmen.
»Was machen die nur seit einer Woche hier?«, fragte Bruder Chaalie am siebenten Abend, den Roney im Zeltlager verbrachte. »Die sind ja rund um die Uhr in der Luft…«
Nikodeemus lachte. »Vermutlich hat jemand die Kronjuwelen des Generals gestohlen.«
Die Umstehenden lachten, und auch die Mönche grinsten, die, wie Roney fand, so weltlich eingestellt waren, dass er gern mit ihnen einen heben gegangen wäre.
»Sie durchkämmen seit einer Woche das ganze Stadtgebiet«, sagte der Wühler Chuck. »Mein Bruder sagt, die lassen auch niemanden raus, den sie nicht vorher durchsucht haben.« Er zog die Nase hoch. »Ein Mann, der wohl Grund hatte, sich nicht überprüfen zu lassen, ist schon erschossen worden.«
»Sie suchen vermutlich den Deserteur.« Nikodeemus schaute Roney eigentümlich an. »Aber ich nehme an, der ist schlauer als sie und längst irgendwo untergetaucht, wo ihn keiner vermutet.«
»Das glaub ich auch«, sagte Roney gespielt kaltblütig, obwohl sein Herz nun noch schneller pochte. Niemand schaute ihn an oder verdächtigte ihn. Vermutlich stellten sie sich unter einem fahnenflüchtigen Offizier etwas anderes vor als ihren erschöpften und tatterigen Neuzugang.
An diesem Abend war Roney
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