1841 - Der Engeljäger
mitgenommen. Es war kein Problem, das zu tragen, und er hatte auch nicht vor, zu verschwinden, er wollte nur mehr Bewegungsfreiheit haben. Das allein zählte, und so konnte er auch draußen auf John Sinclair warten.
Ein Versteck in der Nähe war sicherlich zu finden. Von dort musste er die Frontseite der Herberge im Blick behalten.
Tagsüber war es kein Problem, das Haus zu verlassen. In der Nacht schon, denn da war die Tür abgeschlossen, wie Julian leider feststellen musste.
Er gab trotzdem nicht auf und suchte nach einem Schlüssel für die Haustür. Es gab einen kleinen Kasten, der an der Wand hing. Direkt über dem Computer an der Rezeption.
Er sah nicht nur aus wie ein Schlüsselkasten, es war auch einer. Das kleine Türchen war nicht verschlossen. Es konnte mühelos aufgezogen werden, und an kleinen Haken hingen mehrere Schlüssel und ein Bund mit Schlüsseln.
Den nahm Julian an sich. Er hatte vier zur Auswahl. Im Licht der Notbeleuchtung näherte er sich der Tür und konnte ausprobieren, welcher Schlüssel passte.
Er hatte Pech beim ersten Versuch. Beim zweiten nicht mehr, da zuckte ein Lächeln über seine Lippen, als er den Schlüssel ins Schloss schob und ihn drehte.
Es klappte wie geschmiert, und Julian fiel ein Stein vom Herzen. Der Weg in die Freiheit lag vor ihm. Es tat gut, dies zu wissen, und er öffnete die Tür schnell und auch lautlos. Dann schlüpfte er ins Freie, wo er für einen Moment stehen blieb und nach vorn schaute. Er wollte sehen, ob jemand auf ihn lauerte, aber es war zu dunkel dort, um etwas herauszufinden. Nur er selbst stand im Licht, und das fiel von außen her auf ihn nieder.
Es passte ihm nicht. Er wollte weg und ging nach links, wo er einen höheren Schatten sah, der sich bei näherem Hinschauen als Unterstand für Fahrräder herausstellte. Einige Räder standen dort, und ihr Metall schimmerte.
War das ein Versteck?
Eigentlich schon. Zudem lag es in der Nähe. Es gestattete ihm einen guten Überblick. Er war mit ein paar Schritten am Ziel und drückte sich zwischen die Fahrräder.
Ja, der Platz gefiel ihm. Er befand sich in guter Deckung und sah selbst genug.
Es war nach wie vor schwül in der Nacht. Und auch recht still. Er hörte nichts, was verdächtig geklungen hätte. Nur das Zirpen der Grillen und hin und wieder mal ein Rascheln, wenn die Grillen Pause machten.
Er musste warten.
Er musste auch die Nerven behalten, denn es würde dauern, bis sein Helfer eintraf. Auf ihn war er gespannt.
Er hatte den Namen John Sinclair zuvor noch nie gehört. Was war das für ein Typ? Er wusste es nicht. Er hatte sich auch keine Vorstellung von ihm machen können, denn der alte Bischof hatte ihn nie erwähnt oder nie gesagt, dass er zu seinen Freunden zählte. Das war alles so plötzlich gekommen.
Aber John Sinclair musste schon etwas Besonderes sein, wenn Daniel Carver sich auf ihn verließ. Das tat er nicht bei jedem Menschen. Er war eigentlich eher menschenscheu, und wenn er jetzt auf den Mann setzte, dann war das schon etwas Besonderes.
Julian hockte sich nieder. Ein leerer Ständer bot ihm den entsprechenden Platz. Sein Gesicht lag im Dunkeln. Er verspürte den inneren Druck, und die dünne Schweißschicht wollte nicht von seiner Haut verschwinden.
Warten kann nerven.
So war es auch bei ihm. Es zerrte an seinen Nerven. Etwas würde passieren, etwas musste passieren, sonst wurde er noch verrückt. Er wusste ja, dass er etwas Besonderes war, dass er sensibler war als die meisten Menschen, dass er Kontakt mit Welten aufnehmen konnte, die für einen normalen Menschen nicht sichtbar waren. Hin und wieder wurde der Kontakt sehr intensiv, dann bekam er etwas von den Welten mit. Manchmal hörte er das Singen oder eine ferne Musik, und wenn es ganz besonders intensiv war, dann sah er auch die Gestalten.
Es waren keine Menschen, obwohl eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden war. Sie kommunizierten mit ihm gern auf geistiger Ebene und machten ihm klar, dass er zu ihnen gehörte.
Mehr aber nicht. Sie wagten sich auch nicht näher an ihn heran und blieben auf Distanz. Und trotzdem fühlte sich Julian zu ihnen hingezogen, und er konnte auch die Worte des alten Bischofs nicht vergessen, der ihm mal erklärt hatte, dass er mehr einem Engel glich als einem Menschen. Das hatte er hingenommen, ohne etwas zu hinterfragen. Er hatte sich sogar darüber gefreut.
Andererseits gefiel es ihm nicht so gut, denn er wusste eigentlich nicht, wohin er gehörte. Und in dieser Nacht war die
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