1841 - Der Engeljäger
Julian gesprochen hatte. Und Julian sollte ein Engel sein, der von einem Engeljäger gejagt wurde.
Und jetzt rief dieser angebliche Engel mich an.
»Super, Julian. Jetzt weiß ich Bescheid. Es ist toll, dass du angerufen hast.«
»Danke.«
»Und worum geht es?«
»Ähm – zwei Dinge. Zum einen habe ich den Bischof anrufen wollen, aber keine Verbindung bekommen. Der Ruf ging durch, aber es hob keiner ab. Und das bereitet mir Sorgen. Der Bischof wollte meinen Anruf abwarten, das hat er nicht getan. Und bei ihm spielt es auch keine Rolle, dass die Zeit schon fortgeschritten ist.«
»Das ist schon ungewöhnlich«, sagte ich mit leiser Stimme. »Ich habe auch schon versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Du meinst nicht, dass er tief und fest eingeschlafen ist?«
»Nein, das auf keinen Fall. Er wollte noch aufbleiben. Er hat sich um mich Sorgen gemacht, nachdem er mich weggeschickt hat. Es ist ja alles nicht so einfach.«
»Wo steckst du jetzt?«
»Ich bin noch nicht in London. Aber kurz davor. Ich bin mit dem Roller gefahren und habe es bis zu einer Jugendherberge geschafft. Da sitze ich jetzt in meinem Zimmer.«
»Aber du willst zu mir?«
»Ja. Ich weiß nur nicht, wann ich kommen soll. Ich – ich – habe es mit der Angst zu tun bekommen.«
»Das kann ich mir vorstellen. Wo steckst du denn jetzt genau?«
»Bei Edmonton, nahe dieser künstlichen Seen. Da ist die Jugendherberge, und sie ist auch nicht schlecht, aber ich bekomme meine Angst nicht in den Griff.«
»Das verstehe ich. Aber darf ich dich fragen, warum du eine so große Angst hast?«
»Das ist ganz einfach. Es liegt daran, dass ich den Bischof nicht erreicht habe.«
»Richtig. Ich denke, dass man dich verfolgt. Weißt du, von wem?««
»Nein.«
»Dann hast du also niemanden gesehen?«
»So ist es. Aber ich spüre, dass die anderen dabei sind, mich zu finden.«
»Hast du Beweise?«
»Nein, keine richtigen.«
»Es ist der Engeljäger – oder?
»Ja, das hat der Bischof gesagt, und der muss es wissen. Ein Engeljäger ist hinter mir her. Es kann sein, dass es auch mehrere sind, die mich haben wollen. Ich weiß es nicht so richtig. Dabei habe ich keinem etwas getan.«
»Das glaube ich dir.«
»Ich bin nur etwas anders.«
»Gut«, sagte ich, »wir müssen uns sehen, und das so schnell wie möglich, solltest du wirklich verfolgt werden.«
»Das ist gut.« Er räusperte sich. »Ist es denn noch weit bis zu Ihnen?«
»Ja und nein. Aber ich mache dir einen Vorschlag.«
»Bitte.«
»Wenn du mir deine genaue Anschrift sagst, werde ich zu dir kommen. Und ich beeile mich auch.«
Julian musste erst mal schlucken. »Meinen Sie, jetzt in der Nacht?«
»Ja, ich werde zügig fahren, damit ich so schnell wie möglich bei dir bin.«
»Das ist echt super.«
Er gab mir die Adresse, und Julian wollte noch dafür sorgen, dass die Tür nicht abgeschlossen wurde. Wo er mich erwarten würde, das wusste er noch nicht. Er sprach davon, dass er bei diesem Wetter am liebsten vor die Tür gehen würde.
»Jetzt geht es mir schon besser, Mister Sinclair.«
»Du kannst ruhig John sagen.«
»Ist okay.«
»Dann bis gleich.«
Für mich stand fest, dass ich es wieder mit einem neuen Fall zu tun hatte. Da ging es um einen jungen Menschen, der ein Engel war und der von einer anderen Seite gejagt wurde.
Engel – konnte das sein?
Ich wusste darauf keine Antwort. Das konnte durchaus sein, auch wenn dieser Engel nicht gerade feinstofflich war. Ich hatte in meiner Laufbahn schon zu viel erlebt, als dass ich irgendetwas abtun würde.
Ich musste also einen Engel beschützen. Eigentlich war es ja umgekehrt, da beschützten die Engel die Menschen, aber in meinem Job war alles möglich. Und ich wusste, dass ich keine Sekunde mehr zögern durfte.
Suko, der mit Shao nebenan wohnte, sagte ich keinen Bescheid. Es reichte, wenn sich einer die Nacht um die Ohren schlug. Und ich hatte das Gefühl, mich beeilen zu müssen …
***
Das Gespräch war vorbei, und Julian atmete auf. Er war wieder optimistischer geworden. Dieser John Sinclair war ein toller Mensch.
Er hätte nicht gedacht, dass er so gut mit ihm zurechtkommen würde. Und er freute sich darauf, dass der Polizist zu ihm kam. Das bewies aber, dass er sich Sorgen machte.
Das Telefongespräch hatte ihn auch Kraft gekostet. Schweiß war ihm aus den Poren gedrungen, und das nicht nur im Gesicht. Dort aber wischte er die Nässe weg.
Eines stand für ihn fest. Jetzt würde ihm die Zeit lang werden. Er konnte auch
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