1844 - Bei Ebbe kam der Tod
eine Treppe abging, führte direkt in den Wohnraum. Dort wartete Anette Bösing. Sie war dabei, einige Kerzen anzuzünden, um es gemütlich zu machen.
»Ah, Sie sind es.«
»Ja, Frau Bösing. Ich wollte mich noch mal bedanken und als Dankeschön etwas abgeben.« Er stellte die Flasche auf den Tisch und nickte.
Anette verdrehte die Augen. »Das war doch nicht nötig. Was wir getan haben, das hätte jeder andere auch getan.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Doch, doch.« Sie deutete auf einen mit rotem Stoff bezogenen Sessel. »Aber nehmen Sie doch Platz, bitte. Ich habe Kaffee gekocht. Eine Tasse werden Sie bestimmt mit uns trinken.«
»Es können auch zwei sein«, sagte Georg.
Heinz Becker wollte sich nicht länger zieren und setzte sich an den Esstisch, auf dem Anette Bösing soeben die Tassen hinstellte. Den Kaffee musste sie noch aus der Küche holen.
Sie brachte auch etwas Gebäck mit, das in einer Schale lag, die sie ebenfalls auf den Tisch stellte. Milch und Zucker waren auch vorhanden. Georg Bösing schenkte den Kaffee in die Tassen und lächelte dabei.
»Das ist da in Rantum ja knapp gewesen«, sagte er dann und setzte sich wieder.
»Kann man wohl sagen.«
»Haben Sie sich denn von dem Schock erholt?«
»Wie man’s nimmt. So richtig nicht. Meinem Fuß geht es aber wieder besser.«
»Wenigstens etwas.«
»Aber an die große Gefahr glaube ich nach wie vor. Ich gehe davon aus, dass man mich umbringen will.«
»Aber warum?«, fragte Anette Bösing. »Warum will man Sie denn umbringen?«
»Ich weiß wohl zu viel.«
»Über wen?«
»Über meinen Cousin, der eigentlich nicht mehr leben sollte, der aber trotzdem noch lebt. Er heißt Becker wie ich. Nur sein Vorname ist ein anderer. Hajo.«
»Aha, und weiter?«
Heinz schaute Anette an. »Das ist eine alte Geschichte.«
»Wir möchten sie trotzdem hören.«
»Ja«, sagte auch ihr Mann. »Raus damit.«
Heinz Becker zuckte mit den Schultern. Danach trank er einen Schluck Kaffee und schaute aus dem Fenster, das fast in Griffweite von ihm entfernt war und bis auf den Boden reichte. Heinz Becker hatte sich entschlossen, die Geschichte zu erzählen.
»Es begann von einigen Jahren hier in Keitum, und es ging um eine alte Mönchsfigur, die auf dem Keitumer Friedhof steht. Die Figur ist ungewöhnlich, sie passt eigentlich nicht hierher, aber sie ist nun mal da, und so kümmerte man sich auch um sie …«
In den nächsten Minuten erfuhren die beiden Bösings, was mit dieser geheimnisvollen Figur los war und welche Kräfte in ihr steckten. Gebannt hörten sie zu. Es fiel ihnen schwer, keinen Kommentar abzugeben, aber sie schafften es, sich zusammenzureißen. Erst als Heinz Becker fertig war und einen Schluck Kaffee trank, flüsterte Anette: »Das ist kaum zu glauben.«
»Da gebe ich Ihnen recht, Frau Bösing, aber es stimmt. Es ist alles so abgelaufen, wie ich es erzählt habe. Mein Cousin verschwand und niemand wusste, wohin er abgetaucht war. Man sprach von einer höllischen Schwärze, was durchaus sein konnte, was aber niemand begriff. Und dem Geheimnis wollte ich auf den Grund gehen, deshalb bin ich hier.«
»Was gefährlich ist.«
»Genau, Frau Bösing. Ich stand vor dem Mönch und bekam plötzlich Kontakt mit meinem Cousin. Ich hörte seine Stimme in meinem Kopf, wusste aber nicht, dass ich einen so starken Feind vor mir haben würde. Er will mich töten.«
Anette Bösing schüttelte den Kopf. »Aber warum will er Sie töten? Waren Sie denn auch früher schon Feinde?«
»Nein, das waren wir nicht.«
»Und warum jetzt?«
Heinz Becker hob beide Arme an und senkte sie wieder. »Ich kann es nicht sagen. Es muss in der Welt geschehen sein, in die er sich zurückgezogen hatte. Da hat man ihn wohl verändert.«
Anette Bösing nickte. »Und was meinst du Georg?«
Der strich erst mal sein Haar zurück und suchte dabei nach der richtigen Antwort. »Das ist schon komisch. Aber Sie haben es so überzeugend gesagt, Herr Becker, dass ich Ihnen glaube.«
»Danke.«
»Aber eine logische Erklärung gibt es nicht«, sagte Anette.
Heinz Becker runzelte die Stirn. Dann sagte er: »Es stimmt, dass es keine logische Erklärung gibt. Es gibt aber eine unlogische, die für einen Mann sogar logisch ist.«
»Ach, wer ist das denn?«
»Ein Engländer. Er heißt John Sinclair und wohnt auch im Deichhotel. Ihn habe ich auf dem Parkplatz getroffen und bin mit ihm ins Gespräch gekommen.« Becker hob seine Augenbrauen. »Er ist wohl hier, um diesen Fall zu
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