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1846 - Kreise

Titel: 1846 - Kreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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was geschehen war, dann sank sie langsam in die Knie.
    Zaghaft streckte sie die Arme aus, tastete mit den Fingerspitzen über das aufgeplatzte Gehäuse. In dem Moment gab es eine letzte knisternde Entladung. Illie begann hemmungslos zu schluchzen.
    Der Hunger siegte bald über ihre Verzweiflung. Illie sah Schatten, wo keine waren, huschende, schwebende Schemen, die in der Dunkelheit zu Hause zu sein schienen. „Du schaffst es nicht", wisperten sie und bedrängten sie heftiger. „Du bist zu schwach."
    Mühsam stemmte Illie sich hoch, verscheuchte die Schemen, indem sie wild mit den Armen wedelte.
    „Du schaffst es nicht."
    „... schaffst es nicht."
    Der Servo regelte das schwache Licht im Wohnraum höher. Ihr Vater lag halb über dem Tisch und schnarchte. Ilara achtete kaum darauf.
    Blind tippte sie ihre Bestellung in den Speisenautomaten und nahm ein giftgrün gefärbtes wabbeliges Etwas in Empfang. Es schmeckte nicht einmal schlecht. Selbst die Schüssel, in der es sich befand, war eßbar.
    Eiswaffel, stellte Illie fest, als sie kräftig zubiß.
    Eine Weile starrte sie die Schüssel nachdenklich an, dann schob sie den Rest beiseite. Das Grummeln in ihrem Bauch war nach wie vor da.
    Dad wälzte sich auf die andere Seite. Was er im Schlaf murmelte, verstand Ilara nicht.
    „Ich muß mal", sagte sie zögernd. Wieder blickte sie die Schüssel an, preßte die bebenden Lippen fest aufeinander.
    Auf der Trockentoilette fielen ihr die Augen zu. Nur weil ihre Gedanken unaufhörlich um die eigenartige Form der Eiswaffel kreisten, schlief sie nicht ein. Sie war plötzlich überaus angespannt. Doch richtig bewußt, was sie wirklich entdeckt hatte, wurde ihr erst, als sie beim Händewaschen den Ablauf des Wassers verfolgte. Ein kleiner Strudel, der sich in den runden Abfluß ergoß.
    Das Herz hämmerte ihr bis zum Hals. Aufgeregt wie nie, stürmte sie zurück in ihr Zimmer und riß alle Puppen und anderes Spielzeug in ihrer Reichweite an sich.
    Innerhalb von Sekunden hatte sie alles zu einem Kreis aufgestellt, und sie stand in der Mitte und betrachtete ihr Werk mit wachsender Zufriedenheit.
    Das war es!
    Illie begann zu zittern. Aber es war eine freudige Erregung, ein ungeahntes Glücksgefühl. Endlich hatte sie die Lösung ihres Problems gefunden.
    Die Lösung war der Kreis!
    Mit den Bauteilen des zerstörten Monitors formte sie einen zweiten Kreis. Alle Müdigkeit und Erschöpfung war plötzlich wie weggeblasen. Illie hätte jubeln können vor Glück. Sie hatte es geschafft, hatte das nahezu Unmögliche vollbracht.
    Und sie war nicht die einzige. Das spürte sie.
    Etliche Mitbewohner des Silos waren schon in den Kreis von Olymp aufgenommen. Andere würden folgen. Sie alle würden glücklich sein.
    Wie gerne hätte sie jetzt Kreise in ihrem Lerncomputer gezeichnet. Große und kleine, dicke und dünne Kreise. Mit dem Computer wären sie exakt geworden, ein Ebenbild der Vollkommenheit. Aber sie mußte sich mit dem zufriedengeben, was sie noch hatte: Malstifte.
    Mit weit ausholenden Bewegungen malte sie farbige Kreise an die Wände. Einen nach dem anderen. Mit jedem neuen Kreis wuchs ihr Glücksgefühl.
    Es war herrlich, auf Olymp zu leben ...
    Eine weitere Reihe von Kreisen, eng beieinander.
    Sie hatte ihre Bestimmung gefunden. Bald würden alle Bewohner von Olymp ihre Bestimmung kennen ...
    Unendlich viele Kreise.
    Illie genoß jeden Kreis, den sie vollendete. Es war unbeschreiblich schön, ein unglaubliches Wonnegefühl.
     
    *
     
    Aufwachen und glücklich sein - Ronald Clandor fühlte sich leicht und unbeschwert wie ein Vogel in der Luft. Eine unbeschreibliche Euphorie hatte von ihm Besitz ergriffen, ein Gefühl, das er selbst in Dindras Armen nie kennengelernt hatte.
    Er wußte, daß es anderen Menschen ebenso erging wie ihm, doch er fragte nicht, woher er dieses Wissen bezog; es war einfach da, und das genügte ihm. Alle hatten sie eine große Aufgabe zu erfüllen, und der Kreis war das Symbol ihrer Zusammengehörigkeit.
    In Gedanken versunken, malte Ronald Clandor neue Kreise. Nicht mehr lange, dann würden alle Intelligenzen auf Olymp vereint sein.
    Ron fragte nicht nach der Zeit. Er malte.
    Das Datum war ihm egal. Bald schon, sehr bald, würde sein Dasein sich zum Guten wenden. Mit jeder Faser seines Körpers sehnte er sich danach.
    Ein neuer Kreis ...
    Irgendwann entsann er sich seiner Arbeit, als sei unvermittelt ein neuer Kontakt geschlossen worden.
    Ein wohliger Schauder lief seinen Rücken hinab, als er an Ines

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