1846 - Kreise
dem Hyperphysiker zu. „Nichts", sagte er mürrisch- „Nichts von Bedeutung, nichts, was Terraner wissen müßten." Er begann wieder zu kritzeln, schwungvolle Linien. Zweifellos war er wütend.
„So wirst du dein Problem nicht lösen", meinte Karemus.
„Ich schaffe es."
„Das haben schon andere vor dir behauptet."
Empelime stöhnte gequält. In wilder Entschlossenheit huschte seine Hand über die Folie, eine Reihe von Spiralen hinterlassend.
Unvermittelt hielt er inne. Ein Lächeln erhellte seine eben noch düstere Miene.
„Das ist es!" Er lachte sogar. „Ich wußte, daß ich es schaffen würde. Ich, der Patriarch Deramus Empelime, habe die Lösung aller Probleme gefunden." Ein Kreis prangte auf der Folie. Zittrig und verschoben.
Aber er zeichnete einen zweiten und dann noch einen. Und gleich darauf lachte er mir spöttisch ins Gesicht. „Ich brauche keine Arkoniden. Sieh’s endlich ein, Atlan! Was willst du auf meinem Schiff? Mir helfen?
Wobei?" Er lachte immer noch.
„Wie fühlst du dich?" wollte Karemus wissen.
„Gut." Der Patriarch zeichnete ein halbes Dutzend weitere Kreise. Danach sprang er unvermittelt auf und legte dem Mediker in einer Anwandlung von freundschaftlicher Geste den Arm um die Schultern. „Es ist schön, Freunde zu haben. Sie sind überall. Auf Olymp und auf anderen Planeten. Wie eine große Sippe."
Er zog Karemus mit sich zum Zentraleschott. Im nächsten Moment stieß er ihn in den Korridor hinaus.
Und schon wirbelte er herum. Die Fäuste in die Hüften gestemmt, funkelte er Ambras und mich herausfordernd an.
„Raus aus meinem stolzen Schiff, ihr Pack! Ehe ich meine Freude über den Kreis vergesse und euch eigenhändig ins Vakuum stoße."
Wir gingen. Weil ich es bestimmt nicht auf eine Konfrontation anlegte. Das dröhnende Gelächter des Patriarchen verfolgte uns bis zum Schott. Er schien sich schier ausschütten zu wollen vor Heiterkeit.
*
Mir war nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken, die Springer an Bord der NOCHIRAM sich selbst zu überlassen. Aber wie hätte ich den Patriarchen zu seinem Glück zwingen sollen, zumal er doch eben erst genau dieses Glück gefunden zu haben glaubte? In Form eines einfachen Kreises.
Ein Symbol, vermutete ich. Ein Zeichen der Zusammengehörigkeit?
Auf Olymp spielten sich zweifellos ähnliche Szenen ab wie an Bord des Walzenraumers. Auch über der Heimatwelt der Topsider hatten wir den Beginn dieses Kritzelphänomens miterlebt. Jeder erschuf geometrische Figuren in Hülle und Fülle, schien aber erst dann zufrieden zu sein, sobald er den Kreis entdeckt hatte. Aus eigenem Antrieb wohlgemerkt. Mir war aufgefallen, daß keiner der Springer den Kreis des Patriarchen kopiert hatte. Möglicherweise konnte man einen vom Kritzelwahn Befallenen auffordern, einen Kreis zu zeichnen, aber er würde es nicht tun, weil er eben nicht von selbst auf diese Lösung gekommen war.
Was für eine Geistesmacht die Olymper beherrschte, ihr Einfluß wirkte überaus nachhaltig. Im nachhinein war ich froh, kein Landekommando auf eine der betroffenen Welten geschickt zu haben.
Überraschend nahm die NOCHIRAM mit holprigen Manövern mehr Fahrt auf. Doch anstatt zum Überlichtflug zu beschleunigen und Boscyks Stern weit hinter sich zu lassen, wendete der Frachter nach wenigen Minuten und nahm Kurs auf Olymp.
Die Springer wollten es nicht anders. Unsere Versuche, sie über Funk zu warnen, ignorierten sie.
„Es gibt eine Inkubationszeit", behauptete Velito Karemus, „anders als bei den Auswirkungen des Tangle-Scans. Sie dürfte bei einigen Stunden liegen bis hin zu einem Tag oder mehr, abhängig von der psychischen Verfassung des Betroffenen. Und von der Stärke der geistigen Macht. Die bisherigen Messungen des Resonators legen den Schluß nahe, daß unser Gegner mit jedem Tag mehr Kraft gewinnt."
„Unsere Gegner", berichtigte ich.
Karemus starrte für einen Moment auf seine Schuhspitzen, dann nickte er zögernd. „Bitte fragt mich nicht, ob der Kritzelwahn zu beseitigen ist, indem wir zum Beispiel die Bevölkerung eines Planeten evakuieren.
Unsere Erkenntnisse reichen noch nicht aus, eine solche Aussage zu treffen."
*
Was Karemus gesagt hatte, lief unterschwellig auf die Forderung hinaus, eine Welt nach der anderen anzufliegen. Ich war mir jedoch nicht klar darüber, ob ein solches Vorgehen uns wirklich den entscheidenden Schritt weiter bringen würde.
Bevor ich meine Entscheidung treffen konnte, erreichte eine Alarmmeldung die
Weitere Kostenlose Bücher