1846 - Kreise
teilhaben würde, sobald sie ihr Problem gelöst hatte.
Sie war jetzt frei, hatte alles hinter sich gelassen, was sie bei der Lösung behindern konnte. Auch andere Menschen hatten diesen Schritt getan, Gleichgesinnte, die wie sie das Gefühl hatten, in den Wänden ihrer Wohnungen ersticken zu müssen. Sie kampierten unter freiem Himmel, machten die öffentlichen Parks zu ihrem Reich und suchten doch jeder für sich nach dem Glück, das sie spürten, aber noch nicht greifen konnten.
Ein dumpfes Dröhnen in der Höhe ließ Dindra aufsehen. Hoch über ihr, zwischen den Wattebäuschen der Schönwetterwolken, zog ein riesiger, stabförmiger Stern seine Bahn über das Firmament. Vergeblich versuchte Dinnie, exakt diese Form in den Blütenstaub zu zeichnen. Es gelang ihr nicht.
Papier und sogar einige der schwereren Schreibfolien wirbelten die ausgestorben wirkende Straße entlang. Bodengleiter parkten am Rand, seit Tagen standen sie auf derselben Stelle. Die Ruhe in diesem Stadtviertel tat gut.
Manchmal glaubte Dindra, die Spuren eines unbegreiflichen Wesens erkennen zu können, das hier vorbeigegangen war. Doch dann sagte sie sich immer wieder, daß das Hirngespinste waren, Gedanken, die sie unnötig belasteten.
Der Wind frischte böig auf, die Wolken überzogen sich mit einem schmutzigen Grau. Gleich darauf klatschten dicke Regentropfen herab. Um die Zeit war das früher unmöglich gewesen. Die Wetterkontrolle offenbarte unverständliche Mängel.
Zwei große Blätter Papier klebten an der Karosserie eines Gleiters fest. Papier, auf das andere Menschen ihre Lösungsversuche gemalt hatten.
Oder gar die Lösung ihres Problems?
Dindra stolperte über die Straße und holte sich die Blätter. Mit dicken Linien hatte jemand unverständliche Muster gezogen. Nichts Brauchbares, das war der Frau sofort klar. Würde sie es jemals schaffen, das Ziel zu erreichen? Wütend knüllte sie die Blätter zusammen und warf sie achtlos zur Seite.
Eine große Aufgabe ... Planetenumspannend ... Vielleicht würde sie auf Olymp nie die Lösung finden.
Suchend glitt Dinnies Blick über den Himmel. Dicht über der Skyline von Trade City fand sie den riesigen Stern wieder. Es war ein Walzenraumer der Springer, der soeben mit flammenden Triebwerken zur Landung ansetzte.
In dem Moment wußte Dindra Clandor, daß sie Olymp verlassen würde. Irgendwo, weit entfernt, wartete das Glück.
Mit blitzschnellen Bewegungen glitten ihre Finger über die von Blütenstaub und Regen verschmierte Karosserie des Gleiters. Sie malte wellenförmige Muster.
Übergangslos stieß sie sich ab, hastete dem Raumhafen entgegen. Sie glaubte zu spüren, daß viele in der Stadt schon die Lösung gefunden hatten. Warum sie noch nicht? Was hatte sie verbrochen, daß ihr die erlösende Gemeinschaft verwehrt blieb?
*
„Ich bin nicht irgendwer!" brüllte der Springer los. Nach acht endlos langen Stunden im stationären Orbit war er am Ende seiner Beherrschung angelangt. „Ich bin Patriarch Deramus Empelime aus der ehrenwerten Sippe der Hansan-Empelime. Merkt euch meinen Namen gut, ihr verdammten Bürokraten!
Niemand läßt Deramus Empelime ungestraft warten - niemand, habt ihr das endlich kapiert? Ich verlange die sofortige Landeerlaubnis für meine NOCHIRAM und eine Entschuldigung der planetaren Verwaltung."
Mit beiden Händen seine kunstvoll geflochtenen Bartspitzen raufend, starrte der Springer in das flirrende Feld, in dem sieh eigentlich das Hologramm seines Gesprächspartners stabilisieren sollte. Doch der Büromensch dachte nicht daran, sich zu identifizieren.
„Du mußt dich noch gedulden", erklang die Aufforderung, die Empelime schon nicht mehr hören konnte.
„Meine Geduld wurde längst überstrapaziert", dröhnte der Patriarch. „Ich werde Schadensersatzforderungen geltend machen, daß euch die Augen tränen. So sagt man doch bei den Terra-Abkömmlingen, oder?"
„Ich bedauere, derzeit kann dir kein Landefeld zugewiesen werden."
Deramus Empelime schnappte geräuschvoll nach Luft. „Kein Landefeld?" prustete er los. „Die Ortungen zeigen, daß der halbe Raumhafen leer steht. Also beweg endlich deinen Hintern, und weise mir einen Landeplatz zu! Andernfalls sehe ich mich gezwungen, die offensichtlich im Zustand der Verwirrung ausgesprochenen Anweisungen der Hafenverwaltung zu ignorieren."
„Wenn du den Entzug deiner Lizenz für Olymp riskieren willst, Deramus, tu dir keinen Zwang an. Aber ich warne dich ..."
„Du hast genau zehn
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