1846 - Lockvogel Larissa
aussah wie ein normaler Mensch.
Was sollte ich tun?
Ich konnte ihr eine Kugel in den Kopf schießen, hätte aber dann viel erklären müssen. Sie hier zu vernichten war einfach nicht drin. Da musste ich mir schon etwas anderes einfallen lassen.
Unter Umständen war es gar nicht gut, wenn ich sie jetzt und hier bekämpfte. Es war besser, wenn ich sie mir schnappte und sie dann selbst verhörte. Noch ahnte sie nichts, und auch ihr Gegenüber hatte nichts von den Gerüchen bemerkt.
Und so wartete ich. Ich wollte, dass sich beide wieder unterhielten, um mich dann zurückzuziehen.
Das klappte ganz gut. Jason Fox hatte sich wieder neue Fragen zurechtgelegt, die er stellte. Ich gab auch ihm kein Zeichen, sondern zog behutsam die Tür auf und verschwand.
Zum Glück geriet ich nicht in ein anderes Büro, sondern in einen Flur. Ich wusste, wie man zum Ausgang gelangte, und dachte erst mal darüber nach, wo ich mich aufhalten und auf die Person lauern sollte.
Noch im Haus? Aber wahrscheinlich war es besser, wenn ich mir den Eingang vornahm. In der Nähe konnte ich mich hinstellen und alles abwarten.
Diese Mischung aus Parfüm und Leichengestank hing noch immer in meiner Nase fest. Er würde auch so schnell nicht verschwinden, das glaubte ich fest.
Um die breite Eingangstür zu erreichen, musste ich eine Treppe hinabgehen. Ich passierte auch den Kollegen hinter dem Empfang, winkte ihm zu, stieg die Stufen hinab und wartete draußen nahe der parkenden Streifenwagen. Von hier aus hatte ich eine gute Sicht auf den Eingangsbereich.
Wenn diese Larissa auftauchte, war ich gespannt, wohin sie sich wenden würde. Ob sie mit dem eigenen Auto gekommen war oder sich hatte bringen lassen.
Ich war zudem gespannt, wie sie auf meine Fragen reagieren würde. Ob sie dann zugeben würde, dass sie ein Ghoul war, und ob es zum Kampf kommen würde. Möglicherweise war sie auch nicht allein, sondern gehörte zu einer Bande von Leichenfressern.
Das schmeckte mir ganz und gar nicht.
Wie viel Zeit genau seit dem Verlassen des Büros vergangen war, wusste ich nicht. Jedenfalls kam sie mir recht lang vor, und in mir breitete sich allmählich ein ungutes Gefühl aus. Es war ja alles ruhig in diesem Bau, aber so richtig traute ich dem Frieden nicht.
War es ein Fehler gewesen, die beiden allein zu lassen? Die Frage konnte ich jetzt nicht beantworten. Ich würde mir ein eigenes Bild machen müssen.
Ich winkte dem Kollegen am Empfang zu, der freundlich sein wollte und fragte: »Was vergessen?«
»Ja.«
»Das passiert mir auch öfter. Unsere Jugend ist vorbei.«
»Da sagen Sie was.«
Ich hatte die Treppe hinter mir. Ich lief schneller. Etwas trieb mich voran, und dann hatte ich die Tür erreicht, die ich aufzog.
Ich erwartete, Jason Fox und ebenfalls diese Larissa zu sehen. Zuerst traf mich ein Windstoß. Er wehte mir entgegen, weil ein Fenster weit geöffnet war.
Es befand sich hinter dem Schreibtischstuhl, auf dem eigentlich Jason Fox hätte sitzen müssen.
Das traf nicht zu.
Der Stuhl war leer. Aber ich sah an der linken Schreibtischseite die Schuhe und den unteren Beginn der Beine. Die Jeans kam mir bekannt vor.
Mein Kollege hatte sie getragen, um den ich jetzt eine riesengroße Angst bekam. Ich lief zu ihm, und als ich ihn erreicht hatte, stoppte ich und drehte den Kopf nach rechts.
Da lag er.
Er blutete am Hals und im Gesicht. Ob er noch lebte, wusste ich nicht, aber ich wusste, dass ich etwas unternehmen musste. Die Kollegen alarmieren, dann einen Arzt …
Von der rechten Seite her hörte ich plötzlich ein Geräusch.
Es war ein kurzes Aufstampfen, dann bekam ich den Schrei mit, und plötzlich flog ein Schatten auf mich zu. Aus dem Augenwinkel hatte ich ihn gesehen und wollte weg.
Das war nicht zu schaffen.
Etwas flog gegen meinen Hals und auch meinen Kopf. Ich wurde zur Seite geschleudert und dachte gar nichts mehr, denn um mich herum wurde es dunkel …
***
Etwas klatschte in mein Gesicht. Es war nass und fühlte sich an wie eine feuchte Hundeschnauze. Ich zwinkerte mit den Augen und hörte dann die Stimme.
»Aha, unser Held kommt zu sich. Das war ein Hammer, nicht wahr, Geisterjäger?«
Ich öffnete die Augen. Ein Bild entstand. Ein verschwommenes. Aus ihm heraus klang mir die Stimme entgegen, die mir eine Frage stellte. »Wie klappt es?«
»Gestern ging’s noch. Heute habe ich es noch nicht probiert.« Ich wollte mir keine Blöße geben, und so richtig schlecht ging es mir auch nicht. Ich behielt die Augen offen,
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