1846 - Lockvogel Larissa
und jetzt klärte sich das Bild in meiner unmittelbaren Umgebung.
Ich war nicht allein. Mindestens ein halbes Dutzend Kollegen von der Metropolitan Police wirbelten durch den Raum. Es sah so aus, als würden sie nach Spuren suchen, aber die gab es nicht.
Der Treffer hatte bei mir nicht viel hinterlassen. Ein taubes Gefühl am Hinterkopf, das war alles. Ich fasste darüber hinweg und erfühlte die kleine Beule, was nicht weiter tragisch war. Auf dem Boden hocken bleiben wollte ich auch nicht, deshalb griff ich nach der Schreibtischkante und zog mich langsam in die Höhe. Eine helfende Hand drückte gegen meinen Rücken. Dann stand ich und war froh, den Schreibtisch in der Nähe zu haben, denn dort konnte ich mich abstützen.
Ich stand und musste den Schwindel ausgleichen. Zum Glück ließ man mich in Ruhe, und so schaffte ich es, richtig durchzuatmen, sodass es mir auch wieder besser ging.
Ich dachte daran, was hier geschehen war, und meine erste Frage galt Jason Fox.
»Was ist mit Ihrem Kollegen?«
Der Mann, der mich abgestützt hatte, nickte mir zu. Dabei verschloss sich sein Gesicht.
»Wir hoffen, dass er durchkommt. Die andere Seite hat ihn hart erwischt. Die halbe Kehle wurde durchgebissen, das ist einfach nur schrecklich. Kaum zu fassen.«
»Ja, da sagen Sie was.«
»Und wer hat das getan?«
Er hatte laut gesprochen, sodass ich leichte Kopfschmerzen bekam. »Es war wohl eine Frau«, sagte ich.
»Und wo ist sie jetzt?«
»Weg – geflohen, denn ich habe sie nicht aufhalten können.«
Nicht nur der Fragesteller hatte mich gehört, auch die anderen Personen, die sich im Raum befanden.
»Wir haben niemanden gesehen«, sagte jemand.
Ich deutete auf das Fenster. »Da ist sie durch, und dann war sie weg.«
»Zu Fuß – oder …?«
»Keine Ahnung. Es ist auch möglich, dass sie ein Auto in der Nähe stehen hatte. Rechnen müssen wir mit allem.«
Der Mann, der neben mir stand, telefonierte. Ich sah die Schweißperlen auf seiner Stirn. Auch seine Haut war blass. Das Schicksal seines Kollegen hatte ihn hart mitgenommen. Er spitzte seine Kollegen an, nach Zeugen zu suchen, die eine dunkelhaarige Frau gesehen hatten, die sich schnell von dem Gebäude entfernt hatte.
Ich hoffte zusammen mit all den anderen, dass wir entsprechend Glück hatten. Erst einmal musste ich ebenfalls telefonieren. Ich wollte mit Suko sprechen, denn jetzt war plötzlich ein Fall für uns daraus geworden.
»Was gibt es?«, fragte mich mein Freund.
Ich erklärte es ihm.
Suko stöhnte leise auf. »Ein weiblicher Ghoul, sagst du? Das ist ein Hammer.«
»Und zudem eine Person, der man nicht ansieht, was oder wer hinter ihr steckt.«
»Klar, dass wir sie jagen müssen. Aber sag mir eines. Wo können wir den Hebel ansetzen?«
»Im Moment weiß ich noch nichts. Ich bin noch immer bei den Kollegen im Büro.«
»Soll ich kommen?«
»Nein, Suko. Aber auch wir können damit anfangen zu recherchieren. Ich dachte mir Folgendes: Diese Larissa ist so etwas wie eine Hure. Oder ist eine, das steht fest. Ich frage mich deshalb, ob sie in der Szene bekannt ist.«
»Meinst du?«
»Man könnte es vielleicht herausfinden.«
»Damit meinst du mich?«
»Genau.«
»Und wie soll ich das tun?«
»Schließ dich mit den Kollegen von der Sitte kurz. Kann sein, dass sie mehr wissen.«
»Werde ich machen. Aber mich wundert eines«, sagte er.
»Was denn?«
»Dass diese Person dir entkommen ist.«
Ich schwieg, presste die Lippen zusammen und bekam einen leicht roten Kopf.
»He, bist du noch dran?«
»Ja. Und ich kann dir auch eine Antwort auf deine Frage geben. Manchmal ist man eben nicht vollkommen.«
»Das glaube ich dir.«
»Wir sehen uns dann später.«
»Alles klar, John.«
Ich wusste den Fall bei Suko in guten Händen. Und ich hoffte, dass meine Idee fruchtete.
Bisher hatte ich noch nicht aus dem Fenster geschaut. Das holte ich jetzt nach. Ja, es war leicht gewesen, hier die Flucht zu ergreifen. Der Sprung aus dem Fenster landete auf einem Vordach. Von dort aus ging es nach unten, sodass der Boden erreicht werden konnte. Das hatte die Flüchtende wohl getan. Es war ihr auch gelungen, wegzukommen, denn sie war niemandem aufgefallen.
Ich hatte hier eigentlich nichts mehr zu suchen und wollte wieder in mein Büro gehen, als ich etwas hörte, das mich aufhielt. Der Kollege, der hier das Sagen hatte, bekam eine telefonische Nachricht.
»Was sagen Sie? Sie haben eine Frau gesehen, die mit einem Wohnmobil gefahren ist?« Wir alle hatten
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