1847 - Schiff der verlorenen Seelen
wahr. Deshalb müsst ihr die Augen offen halten. Alles andere wird sich ergeben.«
Die Männer erhoben sich. Es waren gestandene Kerle, die keine Auseinandersetzung scheuten. In diesem Moment jedoch sahen sie nicht eben glücklich aus.
Im Zwischendeck legte der Kapitän einen Zeigefinger auf die Lippen und ging mit möglichst leisen Schritten voran.
Die vier Mitglieder der Besatzung folgten ihm in einer Reihe, und sie blieben dort stehen, wo sich die Luke befand, die aber nicht zu sehen war, weil eine Kabeltrommel darauf stand.
Der Kapitän deutete an, dass sich seine Leute um die Trommel verteilen sollten. Das taten sie auch, und ab jetzt hieß es still sein und warten.
Es sah schon seltsam aus, wie die harten Typen so starr standen und nur schauten oder lauschten. Der Steuermann war nicht bei ihnen. Er hielt das Schiff auf Kurs, das schon gegen recht hohe Wellen anzukämpfen hatte.
Zunächst geschah nichts. Es blieb alles im normalen Bereich. Sie hörten nur das Aufklatschen der Wellen gegen die Außenbordwand. Der Segler stampfte jetzt durch die etwas schwerer gewordene See. Aber sie würden es schaffen.
Pecos stellte wieder eine Frage. »Ist das wirklich hier, Käptn? Oder hast du dich geirrt?«
»Ich habe mich nicht geirrt, auch wenn wir jetzt noch nichts hören. Das schreibt euch mal hinter die Ohren.«
»Ja, schon gut.« Pecos grinste. »Ich wollte die Stimmung nur ein wenig auflockern.« Er lachte.
»Und jetzt halt dein Maul«, sagte ein anderer. Er starrte auf den Boden und war recht blass geworden.
Es tat sich noch nichts.
Das ärgerte auch den Kapitän, der darüber nachdachte, die Kabeltrommel zur Seite zu rollen, um einen Blick in den Bauch des Schiffes zu werfen.
Die Spannung und die Aufmerksamkeit der Männer hatte nachgelassen, und plötzlich zuckten alle zusammen, als sie die Geräusche hörten.
Die waren nicht normal. Jedenfalls nicht auf einem Schiff. Die waren unter ihren Füßen aufgeklungen, dort, wo sich die Fracht befand. Die Gestalten mussten entweder auf die beiden Container geklettert oder die Leiter hoch gegangen sein, um gegen die untere Seite der Luke zu klopfen. Die Schläge klangen gedämpft. Es gab keine Echos, aber sie waren vorhanden.
Die Männer der Besatzung sprachen kein Wort. Sie schauten sich nur an, und zwei von ihnen wurden blass und kratzten sich an ihren Bärten.
»Das sind sie!«, erklärte der Kapitän.
Die Männer traten von der schweren Trommel zurück. Sie schauten zu Boden, um sich die Ränder der Luke anzusehen. Ja, da bewegte sich etwas. Die Klappe bekam Druck von unten.
Es stand nicht fest, dass die Luke standhalten würde.
»Wo kommen die denn her?«, fragte jemand.
»Keine Ahnung.«
»Sind es blinde Passagiere?«
»Ich denke schon.«
»Aber die können doch nicht vom Himmel gefallen sein, verdammt noch mal.«
»Sind sie auch nicht. Die steigen eher aus der Hölle hoch.«
Pecos lachte. »Das ist so. Die wollen uns fertigmachen. Vielleicht sogar fressen, versteht ihr?«
»Halt die Schnauze, Pecos.«
»Hast du Schiss um dein erbärmliches Leben, Otwin?«
Der Kapitän mischte sich ein. »Hört auf zu streiten. Wir müssen jetzt zusammenhalten.«
Die Mitglieder der Besatzung stimmten zu und Arne Rundberg konnte sie wieder auf ihre Plätze schicken.
Als der Kapitän wieder das Deck erreichte, spürte er den Schweiß auf seiner Stirn. Seinen Steuermann hatte er zuvor eingeweiht. Jetzt traf ihn der fragende Blick.
»Es ist alles okay.«
»Gut. Und wie haben sie es aufgenommen?«
Der Kapitän hob die Schultern. »Nun ja, da hatten einige von ihnen schon Angst.«
»Kann ich verstehen. Mir ist auch nicht wohl dabei. Da kommt was auf uns zu.«
Arne nickte. »Wir müssen unser Ziel erreichen, bevor sie irgendwie durchdrehen.«
Die beiden Männer schwiegen. Sie schauten hinaus aufs Meer und auf eine graue Wand aus Wolken und Wasser.
»Du bleibst auf der Brücke, Erik.«
Der Steuermann nickte. »Und was hast du vor?«
Arne grinste schmal. »Ich muss mich bewegen, ich kann nicht auf der Stelle stehen bleiben. Ich weiß selbst, dass es verrückt ist, aber das ist eben so.«
»Kann ich verstehen. Hast du dein Telefon dabei?«
»Ja. Ich werde in London anrufen und erklären, dass man sich auf etwas Bestimmtes einstellen soll.«
»Was meinst du damit?«
»Muss ich das noch sagen?«
»Nein, aber wem willst du es mitteilen, Arne?«
»Dem Zoll.«
»Okay. Aber da ist noch etwas, über das ich mit dir reden möchte.«
»Jetzt?«
Erik
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