1847 - Schiff der verlorenen Seelen

nennen sie Ghouls.« Ich wollte keine Ausreden benutzen.
    »Und was ist damit?«
    »Sie sind Leichenfresser.«
    »Was?«
    »Ja, sie ernähren sich von Toten …«
    »Sie meinen doch Tiere?«
    Ich lachte. »Nein, Kapitän. Ich spreche nicht von Tieren, sondern von Dämonen. Sie fallen Menschen an, töten sie und danach – nun ja, Sie wissen schon.« Jetzt war ich gespannt, wie der Kapitän reagieren würde.
    Zunächst sagte er nichts. Ich hörte ihn nur heftig atmen und im Hintergrund Geräusche, die darauf hindeuteten, dass die See schwer in Bewegung war.
    »Was ist, Mister Rundberg? Sind Sie noch dran?«
    »Ja. Ich muss Sie was fragen.«
    »Gern.«
    »Stinken diese Wesen auch? Riechen sie nach Leichen?«
    »Und wie.«
    Der Kapitän stöhnte auf. »Es war schrecklich, kann ich Ihnen sagen. Ich habe sie gesehen, ich habe sie auch gerochen und bin fast umgekippt.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Gut, Mister Sinclair. Sie wissen jetzt Bescheid. Was ist zu tun? Was sollen wir tun? Haben Sie einen Rat für mich?«
    »Ja, der ist ganz einfach. Sorgen Sie dafür, dass die Gestalten Sie nicht packen können. Wenn das eintritt, werden Sie getötet und sind danach das richtige Opfer für sie. Sie haben sie auf jeden Fall an Bord?«
    »Ja, das steht fest.«
    Ich fragte weiter. »Und wo?«
    »Im Schiffsbauch. Mir ist es gelungen, sie einzuschließen.«
    »Und was sagt die Mannschaft?«
    »Die Leute haben Angst.«
    »Das kann ich mir denken. Wie sieht es denn aus? Sind sie in der Lage, sich zu befreien?«
    »Ich will es nicht hoffen.«
    »Aber sie würden auch nicht Ihre Hand dafür ins Feuer legen.«
    »So ist es.« Dann redete er weiter, und ich erfuhr, wie er sich die Gestalten vom Leib gehalten hatte.
    »Das war nicht schlecht«, lobte ich ihn. »Aber den Ghouls kann man nicht trauen. Es sind keine Menschen, auch wenn sie so aussehen. Sie sind kräftig, und Sie sollten darauf achten, dass dieses Hindernis, von dem Sie berichtet haben, an Ort und Stelle bleibt. Wenn die Ghouls einmal freie Bahn haben, sind sie nicht zu stoppen. Es sei denn, Sie besitzen die richtigen Waffen.«
    »Und welche sind das?«
    »Zum Beispiel Pistolen, die mit geweihten Silberkugeln geladen sind.«
    »Nein, die haben wir nicht.«
    »Sehen Sie.«
    »Kann man sie denn noch anders vernichten?«
    »Ja. Wenn Sie ein Schwert haben, dann können Sie den Ghouls die Köpfe abhacken. Aber es ist nicht leicht, an sie heranzukommen.«
    »Schwerter haben wir auch nicht.«
    Ich überlegte hin und her. Viele Gedanken sausten mir durch den Kopf. Ich wusste, dass die Ghouls gefährlich waren und dass Menschen gegen sie immer den Kürzeren zogen.
    »Wann schätzen Sie denn, werden Sie hier in London einlaufen? Oder sagen wir mal, wann haben Sie die Küste erreicht?«
    »In der Nacht.«
    »Aha, dann weiß ich Bescheid.«
    »Aber wir müssen dann die Themse aufwärts bis in den Hafen. Das kommt auch noch hinzu.«
    »Aber jetzt sind Sie noch auf See?«
    »Sicher. Wir können auch nirgendwo anlegen und von Bord gehen.«
    »Wie viele Meilen sind Sie noch von der englischen Küste entfernt?«
    »Moment, ich muss mal nachschauen.«
    »Bitte.«
    Nach einigen Sekunden hörte ich wieder seine Stimme. »Ungefähr zweihundert Meilen …«
    »Nun ja …«
    »Was meinen Sie?«
    »Ganz einfach. Ich habe daran gedacht, einen Hubschrauber zu chartern und Ihnen entgegen zu fliegen.«
    Jetzt war er sprachlos. Damit hätte er nie im Leben gerechnet.
    Als er sich wieder gefangen hatte, fragte er: »Und Sie wollen uns tatsächlich entgegenfliegen?«
    »Ja.«
    »Und dann?«
    »Werden wir uns – mein Kollege und ich – an Deck begeben. Und verlassen Sie sich darauf, wir haben die richtigen Waffen. Sollte es nicht klappen, rufe ich Sie an. Ansonsten hören Sie nichts mehr von mir. Ach ja, die Daten Ihres Kurses möchte ich noch haben.«
    Die erhielt ich auch, und ich hoffte, dass die widerwärtigen Ghouls so lange in Schach gehalten werden konnten.
    ***
    Suko hatte mein Telefonat mitbekommen und zeigte sich beeindruckt. »Du willst einen Hubschrauber anfordern?«
    »Sehr richtig.«
    »Na, wenn das mal gut geht.«
    Ich war schon fast aus der Tür. »Ich setze mich mit Sir James in Verbindung.«
    »Tu das.«
    Hundertprozentig sicher war ich mir nicht, aber ich wollte überzeugend wirken, und wenn ich daran dachte, dass auf einem Schiff Ghouls herumliefen, war mir jedes Mittel recht.
    Sir James war noch da, er zuckte nur zusammen, als ich kurz nach dem Anklopfen die Tür aufriss.
    »He,