1847 - Schiff der verlorenen Seelen
erklären, woher diese Gestalten stammten. Das war ihm ein Rätsel. Wahrscheinlich waren es Personen, die lange irgendwo allein gelebt hatten, das allerdings als Gruppe. Und jetzt waren sie endlich wieder frei.
Sie stanken nach Leichen. Oder war es der Schleim, der so roch und an ihren Körpern klebte? Das glaubte er eher. Aber ihnen machte der Gestank offenbar nichts aus. Sie hatten anderes vor.
Nach dem Verlassen des Containers mussten sie sich erst wieder sammeln. Das geschah nach einigen Sekunden. Da hatten sie sich hier unten umgeschaut und schienen zufrieden zu sein, denn Arne Rundberg sah ihr Grinsen. Dabei hatten drei von ihnen ihre Mäuler geöffnet und zeigten ihre Gebisse. Es waren Zähne, die wie Stifte wirkten, wobei manche an ihren Enden spitz zuliefen.
Der Kapitän schauderte. Er hatte so etwas noch nie gesehen. Das waren Gestalten, die aus einem Albtraum gestiegen waren. Sie stanken nach alten Leichen, nach Verwesung, wonach auch immer, und sie waren bestimmt keine Freunde der Menschen.
Es hatte für den Kapitän keinen Sinn, sich Vorwürfe zu machen. Das hier musste er durchstehen, aber nicht allein.
Da war noch seine Mannschaft, und die musste gewarnt werden. So gab es für Arne Rundberg nur eines. Er musste verschwinden und dieses widerliche Pack hier unten allein lassen.
Zwei lösten sich von der Gruppe. Sie wollten ihn fangen und versuchten, ihm den Weg zur Leiter zu versperren, über die er an Deck gelangte.
Der Kapitän rannte los. Und er war schneller. Hinter sich hörte er das Kreischen der Verfolger, die sich in ihrer Wut gar nicht mehr einkriegten.
Sie wollten den Mann. Und sie hätten es beinahe geschafft, aber sie behinderten sich gegenseitig, und so erreichte Rundberg die Leiter vor ihnen. Er sagte immer Leiter, dabei war es eine Treppe, die er hoch laufen musste, um durch die kleine Luke zu verschwinden.
Er überwand die Sprossen, aber die Verfolger gaben nicht auf. Da er hinten keine Augen hatte, sah er nicht, wie die schleimigen Gestalten an der Leiter in die Höhe sprangen, um ihn zu packen.
Sie schafften es nicht. Die Distanz war zu groß. Wenn sie zugriffen, dann fassten sie ins Leere, und der Flüchtende hörte das Klatschen, wenn sie daneben griffen.
Er hetzte weiter.
Und er schaffte es, die offene Luke vor seinen Verfolgern zu erreichen. Er warf auch keinen Blick mehr nach unten. Sobald er das Hindernis hinter sich gelassen hatte, rollte er sich herum, packte den Deckel und wuchtete ihn zu.
Der Knall war laut wie ein Schuss.
Aber er hatte es geschafft und er machte weiter. Er klemmte den Deckel fest. Jetzt war er von unten her schwer zu öffnen. Da musste man schon Werkzeug haben, denn die Klappe bestand aus einem recht dicken Holz.
Für die Dauer einiger Sekunden blieb er auf der Klappe sitzen. Er wollte etwas denken, was er nicht schaffte.
Er sah die Verfolger nicht mehr, aber er hörte sie. Unter ihm hatten sie sich versammelt und schlugen gegen die untere Seite des Deckels, ohne allerdings etwas zu erreichen.
Würde die Luke halten?
Darüber machte sich der Kapitän Gedanken. Er glaubte nicht so recht daran, und deshalb würde er sie beschweren müssen. Er war nicht auf dem Deck gelandet, sondern befand sich auf einem Zwischendeck, das auch nicht leer war.
Er suchte nach einem Gegenstand, den er auf die Luke stellen konnte.
Da gab es eine Kabeltrommel. Sie war mit Eisenringen bestückt und schwer anzuheben. Aber sie konnte geschoben und auch gerollt werden. Das tat Arne Rundberg.
Er hörte sich keuchen. Es war fast unmöglich, das Ding zu bewegen. Wie er es geschafft hatte, sie auf die Luke zu schieben, wusste er selbst nicht. Aber er hatte es geschafft. Wahrscheinlich hatten ihm die Klopfgeräusche zusätzliche Kraft gegeben.
Für den Mann stand fest, dass sie hier auf dem Segler einen grauenvollen Besuch bekommen hatten. Sie konnten auch nicht so einfach einen Hafen anfahren und von Bord gehen. Sie mussten erst die englische Küste erreicht haben, dann ging es.
So lange mussten sie allein zurechtkommen, und das der kleinen Mannschaft zu erklären würde nicht leicht sein …
***
Wir hatten auf der einen Seite Larissa und auf der anderen diesen Segler. Noch waren beide nicht zusammengekommen, aber es würde alles darauf hinauslaufen, das stand fest. Das Schiff war für Larissa wichtig, und deshalb auch für uns.
Suko sprach mich wieder an. »Wo setzen wir an? Bei Larissa oder dem Segler?«
»Was wissen wir denn von Larissa?«
»Nichts. Oder zu
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