1848 - Wir jagten die rote Hexe
eigentlich?«
»Du kannst mich Kim nennen.«
»Aha.«
»Was heißt das?«
Jane schlüpfte in die blaugrauen Jeans. Dabei lachte sie. »Kim ist ein Name, den auch ein Mann haben könnte.«
»Stimmt.«
»Und jetzt bist du hier?«
»Das sieht man doch.«
Jane Collins zehrte den Gürtel fester. »Ja, das sieht man alles. Das ist auch okay.« Sie hob den Blick an. »Ich frage mich nur, warum du mich hast töten wollen. Erwürgen mit der Seidenschlinge. Das hättest du beinahe geschafft.«
Kim nickte. »Ja, das hätte ich. Es ist anders gekommen. Du hast dich gewehrt.«
»Ich hätte dich auch erschossen.«
»Ja, das spürte ich. Deshalb habe ich auch die Flucht ergriffen. Aber nicht für immer. Ich bin wieder da. Unsere Bekanntschaft war auch nicht eingeplant, aber als ich dir sehr nahe war, da habe ich etwas gespürt, Jane. Ja, das habe ich.«
»Und was hast du gespürt?«
Jane kannte die Antwort schon. Sie wartete trotzdem ab, bis sie ihr gegeben wurde.
Die Stimme wurde zu einem Zischen. »Dass du etwas in dir hast, was auch ich kenne.«
»Ach? Und was?«
»Es ist ein Keim. Von uns hat ihn jede. Du besitzt ihn auch. Er ist selten, aber er ist auch hochexplosiv. Ein mehr als gefährlicher Keim, wenn du verstehst.«
»Kann sein.«
Ein Finger wies auf Jane. »Du bist eine von uns. Du bist eine Hexe, gib es zu.«
Jane wartete mit einer Reaktion. Es vergingen einige Sekunden, in denen Kim eine gewisse Unruhe zeigte. Dann aber sage die Detektivin: »Ich fühle mich nicht als Hexe.«
»Aber du bist eine, verflucht. Das habe ich doch gespürt. Mir kann keiner was vormachen.«
Jane steckte ihre Haare hoch und mit einem halbrunden Kamm fest. »Kann sein, dass ich mal eine gewesen bin. Aber jetzt habe ich damit nichts mehr zu tun.«
»Stimmt nicht. Einmal Hexe, immer Hexe.«
»So sehe ich das nicht.«
Kim verengte die Augen. »Das würde ich an deiner Stelle aber. Es ist besser für dich.«
Jane sagte nichts. Dafür lächelte sie, und sie lächelte auch noch, als sie nickte. »Es ist gut. Oder lass es gut sein. Ich bin nur gespannt, wie es weitergeht.«
»Das ist ganz einfach.«
»Ach ja? Und wie einfach?«
»Du wirst mich begleiten. Ich habe mir gedacht, dass wir deinen Wagen nehmen.«
»Ja, warum auch nicht?« Jane zuckte mit den Schultern und lächelte. Auch wenn sie es nicht so optimal für sich ansah, sie glaubte allerdings, Zeit genug geschunden zu haben, um die Dinge für sich zu lenken.
Eine Frage hatte sie trotzdem noch. »Wohin muss ich denn fahren?«
»Ganz einfach. In ein Krematorium …«
***
Manche Dinge sind kompliziert, auch wenn sie so einfach erscheinen. So erging es Suko und mir. Es war kein Problem, zu Jane Collins zu fahren, nur fanden wir keinen normalen Parkplatz, von dem aus wir das Haus beobachten konnten. Es war alles zu. Und auf ein schräges Parken wollten wir uns nicht einlassen. Es wäre zu auffällig gewesen. So blieb uns nur die Möglichkeit, den Wagen woanders abzustellen und als Beobachter zurückzugehen.
Suko, der auch gefahren hatte, wollte sich in der Nähe nach einem Parkplatz umschauen. Ich würde wieder zurück in die Straße gehen, in der Jane Collins wohnte, und würde mich dort so hinstellen, dass man mich nicht sah. Es gab genügend Bäume, die mir zur Verfügung standen. Über unsere Handys würden wir in Verbindung bleiben.
»Dann zieh mal los!«, sagte Suko.
»Alles klar. Du bist bereit?«
»Immer.«
Ich überlegte, ob ich Jane anrufen sollte. Ich schob es noch vor mir her. Ich wartete, bis ich einen Baum erreicht hatte, hinter dessen Stamm ich mich verstecken konnte. Er stand dem Haus der Detektivin gegenüber.
Den Bereich des Eingangs ließ ich nicht aus dem Blick. Wenn sich etwas tat, dann musste das dort passieren, aber in den ersten Minuten tat sich nichts.
Ich telefonierte mit Suko und gab ihm einen knappen Lagebericht. Er hatte seinen Wagen in der Nebenstraße abgestellt und stand auf dem Sprung, wie man so schön sagt.
»Was ist mit dir, John? Hast du bei Jane Collins angerufen?«
»Nein, noch nicht. Sie weiß nicht, dass ich hier stehe. Ich denke auch darüber nach, ob es gut ist, wenn ich sie kontaktiere. Ich glaube eher nicht.«
»Das musst du wissen. Es tut sich jedenfalls nichts – oder?«
»Genauso ist es.«
Der Dialog war zwischen uns beendet. Ich ließ mein Handy wieder verschwinden und konzentrierte mich auf das, was ich schräg vor mir sah. Es war die Haustür, durch die ich schon unzählige Male gegangen war, um Jane zu
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