1848 - Wir jagten die rote Hexe
ihrem Rücken und bemühte sich, keinen Blick nach hinten zu werfen, wo ihre Mitfahrerin saß.
Beide begegneten sich.
Beide reagierten steif.
Keiner schaute in den Wagen des anderen hinein. Es war auch niemand locker, und das merkte Kim.
»Was ist los mit dir?«
»Wieso? Was meinst du?«
»Du bist so komisch.«
»Wie komisch denn?«
»Nicht locker.«
»Das versteht sich von selbst.«
»Ha, ist gut.«
Sie fuhren weiter. Jane schielte in den Innenspiegel. Sie sah den anderen Wagen mit den beiden Freunden verschwinden, aber sie wusste auch, dass dies nicht so bleiben würde. John und Suko hatten sie gesehen, und sie würden entsprechend reagieren.
Die Fahrt ging weiter. Wo sich das Krematorium genau befand, das wusste Jane nicht. Es gab nicht nur eine Verbrennungsanstalt in der Stadt, aber solche Bauten lagen nicht unbedingt in einem dicht besiedelten Gebiet.
»Wo muss ich hinfahren?«
»Ich sage es dir schon.«
»Okay. Aber es bleibt dabei, dass wir zu einem Krematorium fahren?«
»Ja.«
»Und weiter? Soll ich dort verbrannt werden?«
»Nein, das nicht. Oder willst du?«
»Dumme Frage.«
Kim kicherte. »Ich sagte es schon: Wir werden dort jemanden treffen. Eine Person, die unsere Hilfe braucht, weil sie gejagt wird.«
Jane fuhr nach rechts. »Und wer ist es? Darf ich den Namen wissen?«
»Sie heißt Larissa.«
Jane hatte sich schon so etwas gedacht, doch sie hatte Mühe, ihre Überraschung zu verbergen.
Ab nun übernahm Kim die gesamte Regie. Sie erklärte Jane, wie sie zu fahren hatte, und die Detektivin handelte auch danach. Sie nahm den Weg, den man ihr vorschrieb und der bald zu einer der Themsebrücken führte.
Es war die Lambeth Bridge. Dahinter lag der Stadtteil Westminster. In ihn fuhren sie hinein. Der Verkehr war mehr als dicht. Sie kamen nur langsam voran. Da fiel es nicht auf, dass Jane öfter einen Blick in den Innenspiegel warf und auch den Rückspiegel nicht ausließ, um herauszufinden, ob John und Suko in ihrem dunkelgrünen Rover noch hinter ihr fuhren.
Ja, das war der Fall. Hin und wieder sah sie den Wagen und atmete dann auf.
Jane glaubte nicht daran, dass die Fahrt wieder nach Norden führen würde. Sie würden hier in der südlichen Hälfte der Stadt bleiben. Und Jane fragte sich auch, ob das Krematorium sich noch in Betrieb befand oder nicht mehr gebraucht wurde. Immer mehr Menschen ließen sich verbrennen, da war es durchaus möglich, dass jedes Krematorium Londons noch in Betrieb war.
Die Detektivin war eine Frau, die sich verdammt hart durchs Leben gehangelt hatte. Aber es gab Situationen, die ihr nicht so recht gefallen konnten. Dazu gehörte auch ein Besuch in der Verbrennungsanstalt. Sich vorzustellen, in einem Sarg zu liegen und mit ihm zusammen in die Flammen geschoben zu werden, war furchtbar.
Das Krematorium wollte ihr nicht aus dem Kopf, und erneut musste sie die Frage loswerden.
»Warum ausgerechnet ein Krematorium? Kann uns diese Larissa nicht entgegen kommen? Das wäre doch ideal.«
Kim lachte leicht schrill, bevor sie fragte: »Du magst keine Krematorien, oder sehe ich das falsch?«
»Nein, das siehst du richtig.«
»Für mich sind es herrliche Orte der Ruhe. Es gibt keinen Ärger, man kann dort nachdenken und hat das Gefühl, den Toten besonders nahe zu sein.«
»Muss man das?«
»Ja.« Kim nickte. »Du kannst jetzt links in den Kreisel fahren und die zweite Ausfahrt nehmen. Danach fährst du auf den Park zu, dessen Bäume du an der rechten Seite siehst.«
»Ist das unser Ziel?«
»Frag nicht, fahr einfach.«
»Ja, schon gut.« Jane musste einfach etwas loswerden, was sie schon die ganze Zeit über bedrückt hatte. »Denk immer daran, dass ich freiwillig mit dir gekommen bin. Ich kann jetzt auch abbremsen, stehen bleiben und verschwinden.«
»Ja, das könntest du …«
»Aber?«
»Ich an deiner Stelle würde mich hüten, auch nur darüber nachzudenken. Im Endeffekt bin ich immer stärker. Du weißt, wer ich bin, und du kennst meine Kräfte.«
»Ja, das stimmt.«
»Dann hüte dich vor irgendwelchen Folgen.«
Es wurde still zwischen den beiden Frauen. Jane wollte auch nichts mehr provozieren. Sie fuhr ruhig weiter, benutzte wieder die Spiegel als Hilfe und war zufrieden, dass sie den dunkelgrünen Rover sah, in dem ihre beiden Trümpfe saßen.
Der Park rückte näher. An der rechten Seite baute er sich auf. Eine Ansammlung von Bäumen, deren Laub in den wundervollsten Herbstfarben glänzte, da schien ein gelbgoldener Schimmer in der Luft
Weitere Kostenlose Bücher