185 - Die drei Gesichter des Todes
er dir vielleicht verraten, was er mit mir vorhat?«
»Er hat dich mit keiner Silbe erwähnt.«
»Aber ich kann mich doch darauf verlassen, daß ich auch bald drankomme, nicht wahr?«
»Es ist alles bezahlt.«
»Ehrlich?«
»Ich bin kein Lügner«, sagte ich hart. »Und jetzt laß mich in Ruhe.«
***
Die Gefängnismauer war mindestens drei Meter hoch, und obendrauf befand sich eine Stacheldrahtspirale. Da kam man nur mit Flügeln unversehrt drüber, und die hatte Xematha.
Ihr Haar bewegte sich wie ein Kokon, in dem verändertes Leben erwachte, und kurz darauf schlüpfte ein großes Insekt hervor, die leicht zitternden Flügel noch an den Körper gepreßt.
Aber allmählich streckte und spreizte der Falter diese farbenfrohe Pracht, die von dunklem Blau bis zu hellem, leuchtendem Gelb reichte.
Den Rücken des Schmetterlings, der sich an Xemathas Haaren festhielt, »zierte« ein gelber Totenkopf.
Auch er war Xematha. Wie ein großes Schmuckstück trug sie den Totenkopffalter auf ihrer Stirn. Er ließ seine hauchdünnen Flügel kurz schwirren und löste sich dann von dem Mädchen.
Schaukelnd und leichter als eine Feder flatterte er durch die Dunkelheit. Jeder Flügelschlag brachte ihn höher. Mühelos überwand er die Mauer.
Er tanzte mit dem Abendwind über die Stacheldrahtspirale und verschwand aus Xemathas Blickfeld, ohne daß die Verbindung zwischen ihnen abriß.
Die Dreifache sah mit den Augen des Totenkopffalters, der, getragen vom feuchtkühlen Wind, den Gefängnishof überquerte und sich jenem Gebäude näherte, in dem Tony Ballard untergebracht war…
***
Tony Ballard schlief. Juan Avilas hingegen war so aufgeregt, daß er hellwach im Bett lag. Geistesabwesend starrte er zur Decke.
Seine Tage hier drinnen waren gezählt. Es gab eben doch noch eine Gerechtigkeit. Was für eine glückliche Fügung des Schicksals, daß man Tony Ballard zu ihm in die Zelle gesteckt hatte.
Bald werden wir beide frei sein, dachte Juan begeistert.
Tony würde nach England zurückkehren, und seine neue Heimat würde Marokko sein. Er hing nicht an Teneriffa. Was man ihm auf dieser Insel angetan hatte, machte es ihm leicht, sich von ihr zu verabschieden.
Stille herrschte im Gefängnis. Juan Avilas wunderte sich über Tony Ballards Ruhe. Die Freiheit winkte ihm, doch er schlief wie ein Murmeltier.
Je länger sich Juan mit der Person seines Zellengenossen befaßte, desto mehr wurde ihm bewußt, daß er eigentlich nicht viel über ihn wußte.
Ihm war lediglich bekannt, daß er mit der erfolgreichen Schriftstellerin Vicky Bonney befreundet war und daß der Geldmagnat Tucker Peckinpah schon sehr viel für ihn getan hatte. Ach ja, und daß Tony Ballard Privatdetektiv war, das wußte er auch noch.
Eigentlich passen wir nicht zusammen, überlegte Juan. Er ist ein Saubermann, und ich verdiente mir bisher das Brot zur Wurst mit krummen Touren.
Das Gesetz hatte seinen Hobel angesetzt und sie irgendwie gleich gemacht -jedenfalls für die Zeit, die sie zusammen hier verbringen mußten.
Juan wünschte Tony Ballard in seinem eigenen Interesse Glück für seinen Weg nach draußen, denn nur wenn die Sache reibungslos ablief, würde Horace Vargas kurz darauf darangehen können, auch ihrri zur Freiheit zu verhelfen.
Wenn die Sache schiefging, würden Kezal und seine Kollegen so vorsichtig und mißtrauisch werden, daß Vargas unter Umständen das Geld zurückgeben mußte, weil er sich außerstande sah, die dafür versprochene Leistung zu erbringen.
Schritte hallten durch den langen Gang.
Kezal machte seine Runde. Juan schloß sicherheitshalber die Augen und stellte sich schlafend. Bei Kezal wußte man nie, wie man dran war und was ihm in den Sinn kam. Er schikanierte die Häftlinge mit großem Vergnügen.
Die Schritte näherten sich der Tür. Juan konzentrierte sich auf die hallenden Geräusche.
Vor der Tür verstummten sie.
Juan erstarrte in absoluter Reglosigkeit. Das Guckloch öffnete sich, und Kezal schaute herein. Er knipste eine Lampe an und richtete den Lichtstrahl auf Tony Ballards Gesicht.
»Schlaf nur!« knurrte er leise. »Damit du wieder zu Kräften kommst, denn du wirst sie brauchen.«
Er löschte das Licht, schloß und verriegelte das Guckloch und setzte seinen Rundgang fort. Juan Avilas atmete erleichtert auf. Er ist ein Teufel, dachte er grimmig. Du kannst froh sein, das Geld für deine Freiheit aufgetrieben zu haben, Ballard, denn wenn Kezal genug Zeit hätte, würde er dich so fertigmachen, daß du bald nicht
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