1851 - In die TraumsphÀre
Wir sind wieder bei der Sache.
Wir müssen einen Weg finden, dieses Fenster nun ohne größeren Kräfteaufwand stabilisiert zu halten.
Kommt ihr eine Weile weitgehend allein zurecht?
Ja. Warum, was habt ihr vor?
Wir wollen uns ein bißchen auf der anderen Seite umsehen.
Ein erschrockener Impuls. Das dürft ihr nicht! Der Sog wird eure Geister mit sich reißen, wie es so vielen Herreach ergangen ist! Überlaßt das lieber euren Freunden, die mit Geist und Körper in diese Zone eindringen, ohne dem verheerenden mentalen Druck ausgesetzt zu sein!
Wir wagen nur einen kurzen Blick, Yai. Mach dir keine Sorgen, im Moment ist von diesem Sog doch nicht allzuviel zu spüren, nicht wahr?
Nur, weil wir alle hoch konzentriert sind und keine Schwäche zeigen. Das kann in den nächsten Momenten schon anders sein. So stark seid ihr nicht!
Doch, das sind wir. Wir setzen unsere Kräfte auf andere Weise ein als ihr, es ist ein ganz ... anderes Sehen. Du kannst uns nicht zurückhalten.
Caljono Yais Besorgnis rührte sie, stimmte sie jedoch nicht um. Sie waren viel zu neugierig, um sich davon abhalten zu lassen, einen Blick auf die andere Seite zu werfen. Außerdem verspürten sie in diesem Moment keine drohende Gefahr; der Einfluß der fremden Sphäre war zwar deutlich - aber mehr auch nicht.
Nichts Greifbares, Körperliches, sondern einfach nur das Vorhandensein einer Dimension, die nicht hierher gehörte ...
Der Riese Schimbaa hielt die Öffnung weiterhin mühelos offen; er stand ganz ruhig in der Luft, die Hände ohne Kraftaufwand an die Ränder des Zugangs gelegt. Seine semimaterielle Gestalt war ebenso wie das Fenster stabilisiert, kein Flackern, kein Schwanken.
Die Ränder veränderten sich nicht, faserten nicht auseinander, sondern blieben glatt und fest wie gemauert. In dem großen Zwischenraum war nur durchgehende und undurchdringliche Schwärze zu erkennen.
Was mochte dahinter liegen? Konnte diese Schwärze durchdrungen werden? War sie nur eine visuelle oder eine (semi)materielle Barriere, nur von einer Seite durchlässig?
Das sollten wir herausfinden, Schwester.
Dann mal los!
Ein Teil ihrer Konzentration mußte sich weiterhin auf die Stabilisierung der Öffnung richten, doch dafür benötigten sie im Moment nicht allzuviel Energie. Die Herreach leisteten sehr gute Arbeit; angespornt durch ihre Unterstützung, erwiesen sie sich als ausdauernd und zuversichtlich, den Riesen Schimbaa halten zu können.
So blieb den Zwillingen genügend Energie, um sich auf die andere Seite des Dimensionstores zu konzentrieren.
Vorsichtig tastete Mila sich mit Hilfe -des Struktursehens vor, nicht mitten hinein in die Öffnung, sondern zunächst einmal an den Rand, um sich im Bedarfsfall sehr schnell zurückziehen zu können. Immerhin war es möglich, daß plötzlich wieder der Sog einsetzte. Notfalls konnte Schimbaa sofort mit einer Hand zugreifen und die beiden wieder herausziehen.
Nun langsam um den Rand herum, immer aufmerksam und nach allen Seiten sichernd. Wie ein Tier, das zum ersten Mal ein fremdes Revier betritt. Mila tastete sich voran, Nadja war wachsam hinter ihr.
Dann waren die Mutantinnen durch.
*
Das Chaos erwartete sie, ein abstraktes und asynchrones Gewirr von Röhren und Hohlräumen. Die ganz schmalen, eigentlich nur für Mäuse passierbaren Röhren, ineinander verschlungen, mit unbekanntem Ursprungsort und abrupten Abschlüssen an Wänden oder in der Luft, verzweigten sich vielfach in neue Höhen und Tiefen, vereinigten sich mit anderen Seitenzweigen aus Röhrengängen in alle Richtungen.
Sie wirkten metallisch, aber den Schwestern war auf den ersten Blick klar, daß das etwas anderes sein mußte. Es wirkte einfach anders.
Die Röhren zogen sich durch große Röhrengänge; die wiederum verzweigten sich aus großen quadratischen Hohlräumen und führten bergauf, bergab und eben in neue Hohlräume als Verteilerstrecken für eine weitere verwirrende Vielzahl von Röhrengängen.
Was soll das für einen Sinn haben?
Wer das geschaffen hat, ist meiner Meinung nach absolut verrückt.
Oder ein Philosoph.
Zweiundfünfzig Philosophen.
Es ließen sich keine besonderen Strukturen erkennen; das gesamte Labyrinth bestand aus einem unbekannten Stoff, dessen Zusammensetzung nicht kompliziert, aber äußerst stabil war. Es ließ sich mit nichts vergleichen, was sie jemals gesehen hatten. Und Analysen konnten sie mangels technischer Ausrüstung nicht betreiben.
Für Nadja bestand zwar keine Veranlassung, aktiv
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