1854 - Ein Bote Thoregons
lieber, wenn wir wenigstens über einen Hochleistungsorter verfügten." Sein Blick schweifte in die Runde, und in beinahe schon verschwörerischem Tonfall fügte er hinzu: „Ich werde das saudumme Gefühl nicht los, daß hier wirklich so ein Staubkorn herumfliegt, aber das Risiko müssen wir eingehen. Zwei, drei Stunden noch, und unsere Zentrifaal hätten sich ...", seine Bewegung mit den Fingerspitzen entlang der Kehle war unmißverständlich, „... und wir hätten sie, verdammt noch mal, nicht daran hindern können. Sie brauchen das Gefühl, ihr Schicksal wieder selbst bestimmen zu können, sonst garantiere ich für nichts."
Ein langer Monolog. Aber vor allem: Bully hatte recht. Außerdem schien er meine Gedanken zu erraten.
„Keine Sorge", fügte er hinzu. „Wir werden uns anständig benehmen und den Galornen keinen Grund zur Klage geben."
Blieb die Frage, wie die Zentrifaal reagieren würden, falls unsere Flucht früher oder später erneut im Gewahrsam der Galornen endete.
*
In den weitläufigen Parkanlagen kamen wir gut voran. Obwohl vergleichsweise viele Galornen auf den blauen Wegen schlenderten, nahm keiner von uns Notiz. Ich gewann sehr schnell den Eindruck, daß alle Galornen, die einen Fußmarsch auf sich nahmen, dies keinesfalls taten, um rasch ein Ziel zu erreichen, sondern daß sie während des Gehens Muße und innere Einkehr suchten. Sie wirkten langsam in ihren Bewegungen und der Welt seltsam entrückt.
Gleiterverkehr gab es ebenfalls nur in geringem Umfang. Ich stellte fest, daß bevorzugte Routen Richtung Flughafen und zu einigen weit verstreut liegenden anderen Positionen innerhalb des Stadtgebiets führten.
Die meisten Galornen benutzten zweifellos die Transmitterstrecken, um längere Wege zurückzulegen.
Inzwischen türmten sich auch über uns schwere Gewitterwolkendie Sicht schrumpfte bis auf wenige Dutzend Meter. Dann öffnete der Himmel seine Schleusen. Innerhalb weniger Augenblicke waren wir bis auf die Haut durchnäßt.
Bully stand neben mir, hielt den Kopf weit in den Nacken gelegt und ließ den Regen auf sein Gesicht prasseln.
Auch ich genoß das kühle Naß, das den Schweiß abwusch und neue Lebensgeister weckte.
Mit beiden Händen fuhr Bully sich durchs Haar. Im nächsten Moment streifte er sich die Jacke über den Kopf und breitete sie am Boden aus. Aus leuchtenden Augen schaute er zu, wie sie innerhalb weniger Minuten klatschnaß wurde, und als er endlich begann, den synthetischen Stoff auszuwringen, sprühte er wieder vor Energie.
„Mit Rücksicht auf die Zentrifaal verzichte ich darauf, auch die Hose auszuziehen." Er grinste belustigt.
In den grollenden Donner mischte sich ein fernes dumpfes Dröhnen. Obwohl es nur Einbildung sein konnte, glaubte ich, eine Druckwelle zu spüren, ein Vibrieren der Luft. Auf dem Absatz fuhr ich herum.
„Mein Gott ...", stieß Bully tonlos hervor.
Der flackernde Widerschein mehrerer Blitze zeichnete die Silhouette der Stadt nach. Aber nicht die vielfach verästelten Entladungen entsetzten Bully. Im Stadtzentrum hatte es offensichtlich eine Explosion gegeben.
Soweit ich es erkennen konnte, tobte in den obersten Etagen eines der raketenförmigen Gebäude eine Feuersbrunst.
„... das galt uns", beendete Reginald Bull seinen Satz.
Wäre die Bemerkung von den verängstigten Zentrifaal gekommen, hätte ich sie noch verstanden, aber Bully saugte sich für gewöhnlich solche Behauptungen nicht aus den Fingern.
„Sieh ruhig genau hin!" forderte er mich auf. „Ich verspreche Gucky für die nächsten zehn Jahre für jeden Tag frische Mohrrüben, wenn das nicht der Wolkenkratzer ist, aus dem wir uns abgesetzt haben."
Er hatte ein Gespür für solche Dinge. In der Explorerflotte waren oftmals unscheinbare Details von größter Wichtigkeit gewesen. Außerdem verwettete er nicht leichtfertig einige Zentner Möhren an den Mausbiber.
„Zufall?" fragte ich.
„Was soll ich dazu sagen, Perry?"
Ein überaus unangenehmes Gefühl machte sich breit, und eine innere Stimme drängte mich, Helter Baaken möglichst schnell zu verlassen. Ohne Wenn und Aber.
Bully beobachtete mich indes mit der Akribie eines Käfersammlers, der überlegt, ob er seinen neuesten Fund sofort auf eine Nadel spießen oder ihn doch lieber in Freiheit lassen soll. Er verzog nicht einmal die Mundwinkel, als er bemerkte, daß mir seine durchdringende Musterung mißfiel.
„Vielleicht wollte Kaif Chiriatha uns auf unauffällige Weise loswerden", vermutete er. „Ein
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