1860 - Goedda
treibst.
Zeige es mir, Vercos!"
„Das ist nichts für dich, Isthia", sagte Vercos gequält. „Ich möchte dir das ersparen - es ist wirklich kein schöner Anblick."
„Was es auch ist, ich möchte es mit dir teilen. Haben wir uns nicht hoch und heilig versprochen, keine Geheimnisse voreinander zu haben? Also komm schon, laß mich an deiner Arbeit teilhaben."
„Du solltest das nicht von mir verlangen ..."
„Nichts wäre für weich im Moment schlimmer, als die Ungewißheit über dein Tun ertragen zu müssen, Vercos: Ich liebe dich so sehr, daß es nichts im Universum gibt, was diese Liebe erschüttern könnte. Bitte, Vercos!"
„Also schön."
Isthia sah gleich darauf einen anderen Vercos vor sich. In eine schmutzige Uniform gekleidet, das Gesicht mit einer Atemmaske vermummt; die Augen hinter den dicken Gläsern waren stark gerötet, tränten träge.
Neben ihm schwebte ein kleiner schalenförmiger Transportbehälter auf dem sich alle möglichen Kriegsutensilien türmten: verschiedene Handfeuerwaffen, Funkgeräte, andere Geräte, deren Funktion Isthia nicht kannte, und aller mögliche Kleinkram.
Vercos bückte sich gerade, und die Kamera über ihm folgte der Bewegung, so daß Isthia sie mitverfolgen konnte. Vercos hob etwas auf und warf es achtlos und fast angewidert in den Transportbehälter.
Das ging so schnell, daß Isthia nicht erkennen konnte, was es war und von wo es Vercos an sich genommen hatte.
„Was tust du da, Vercos?" erkundigte sie sich.
„Ich sammle Kriegsbeute ein", sagte er nur.
Als er sich wieder bückte und diesmal eine Strahlenwaffe aufhob, erkannte Isthia, daß er sie den klammen Klauen eines Insekten- oder Käferwesens entriß, das ein Treideve hätte sein können.
„Vercos!" entfuhr es ihr entsetzt. „Du bestiehlst Tote!"
„Das ist der Krieg, Isthia", sagte er mit blubbernder Stimme, so als müsse er hochkommenden Mageninhalt hinunterwürgen.
Als Vercos aufrecht weiterging, über von Granaten aufgewühlten Boden, durch gesprengte Barrikaden, da konnte Isthia fast wie durch seine Augen auf das weite Schlachtfeld sehen. Und als er eine Schutthalde erklomm, da sah sie die bis zum Horizont reichenden labyrinthartigen Schützengräben.
Und sie sah ein Meer von Leichen. Alles tote Insedder. Hunderte, Tausende.
Vercos bückte sich wieder. Unter ihm lag die verkrampfte Gestalt eines Ayrrisa. Das filigrane Wesen hatte seinen Gliederkörper und die sechs mehrfach untergliederten Extremitäten zu einem Klumpen zusammengeklappt. Nur der röhrenförmige Kopf war weit nach oben gereckt, der kleine Mund weit aufgerissen, die bernsteinfarbenen Facettenaugen waren aus den Höhlen getreten. Vercos durchsuchte den Leichnam mit einer behandschuhten Hand und förderte dann ein kleines Kästchen zutage, das er in den schwebenden Transportbehälter warf.
Isthia wußte, daß sie diesen Anblick nie in ihrem Leben vergessen würde.
„Was hat das zu bedeuten, Vercos?" fragte sie zitternd. „Was geht dort, wo du bist, vor sich?"
„Es ist ein ganz normaler Kriegsschauplatz", sagte er. „Laß es genug sein, Isthia, es wäre deinem Wohle zuträglich, würdest du dich jetzt zurückziehen."
„Nein, nein, das ist nicht Krieg", sagte sie, als könnte sie mit ihren Worten das Gesehene aus der Welt schaffen, es wie eine Seifenblase zerplatzen und eine schönere Realität zum Vorschein kommen lassen. „Nein, nein, nein! Das ist nicht Krieg. Das ist Leichenfledderei. Krieg ist etwas ganz anderes."
„Ich weiß, ich weiß", sagte er müde und entwand einem im Tode qualvoll verkrampften Ornasso einen Handstrahler, was nicht ohne gehörige Kraftanstrengung ging.
Dann fuhr er fort: „Für dich ist Krieg Heldentum und Offiziersball, Fanfarenklänge und Ordensverleihung. Aber einen solchen Krieg gibt es nur in deinen Spielen."
„Hör auf der Stelle auf damit!"
„Es ist die nackte Wahrheit, du wolltest sie hören", sagte Vercos dumpf, während er weiterhin unentwegt Beutegut an sich brachte und den Transportbehälter damit füllte.
„Ich meinte, daß du auf der Stelle mit diesem Tun aufhören sollst, Vercos!" befahl Isthia streng.
„Leichen zu bestehlen ist des Mannes, dem meine Liebe gehört, unwürdig."
„Das wäre glatte Befehlsverweigerung, Isthia", sagte Vercos, ohne sich durch sie in seiner Tätigkeit aufhalten zu lassen. Ihm war gar nicht mehr übel, er sah die Leichen nicht einmal mehr, man gewöhnte sich mit der Zeit an alles. „Sie würden mich auf der Stelle stAndréchtlich
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