1867 - Der TraumtÀnzer
es ihm erlaubte, über die Haut auf den Geist des Philosophen zuzugreifen. Es war nicht einmal schwer.
Et versuchte sofort, den fremden Geist auszulöschen. Stück für Stück reduzierte er seine Kräfte, bis so gut wie nichts mehr übrig war.
Saedelaere scheute sich nicht, einen kaltblütigen Mord zu begehen. Jenseitsdreur konnte selbst in diesem Zustand noch gefährlich werden, davon war er überzeugt. Ließ man ihm die Zeit, sich zu entfalten, dann wäre bald wieder die ganze Milchstraße bedroht.
Nur noch dieser kleine Funke. Fünf Mikrometer. Vier, drei ...
Saedelaere stieß plötzlich an eine Grenze. Jenseitsdreur erwachte im letzten möglichen Moment.
„Ich werde dich ..."
„Nein!"
Der Philosoph klammerte sich an sein Leben, mit einer erstaunlichen Zähigkeit, die er einer solchen Mikrobe nie zugetraut hätte. Saedelaere konnte nicht verhindern, daß er zornig wurde. Es lag an den Schmerzen, an der Müdigkeit, vielleicht an der Enttäuschung, daß es noch immer nicht zu Ende war. Mit unbeherrschten Attacken versuchte Saedelaere, den Schutzwall zu durchbrechen. Allein, es hatte keinen Sinn.
Nach einer Weile akzeptierte er, daß er den Philosophen so nicht besiegen konnte. Er begnügte sich damit, seinen inneren Feind in Schach zu halten.
Einige Minuten verstrichen, vielleicht eine halbe Stunde. Allmählich erlangte er die Kontrolle über seinen Körper zurück. Die Finger des linken Arms fingen zu zucken an. Die des rechten Arms blieben natürlich taub. Er nahm an, daß einige Nervenenden durchtrennt waren und daß er den Arm ohne genetische Verklebung nie wieder benutzen konnte. Die Füße kamen hinzu, er versuchte die Beine zu heben; aus seinem Brustkorb drang ein trockenes Husten, das ihm große Qual bereitete.
Ganz zuletzt öffnete er die Augen.
Er lag auf dem Rücken. Über ihm spannte sich ein brauner Himmel. Der silberne Nebel, in dem sich Goedda die ganze Zeit verborgen hatte, fehlte nun. Daraus zog er den Schluß, daß die Große Mutter tatsächlich vernichtet war.
Sein Blick klärte sich mit jeder Sekunde mehr, wenngleich er nicht in der Lage war aufzustehen.
Saedelaere konnte nicht sagen, wo er lag. Nur soviel: Es war auf keinen Fall Goeddas Raum.
Der braune Himmel schien ihm mit Details gespickt zu sein. Von links nach rechts verlief eine schnurgerade Linie, die das Fimament in zwei Hälften teilte. Saedelaere wollte zuerst nicht glauben, was er sah.
Er stellte fest, daß es sich bei der Linie um eine Straße handelte, und er wußte nur nicht, wie eine Straße an den Himmel gelangte. Links und rechts der Straße erhoben sich kleinere Hügel. Wenn er ganz nach rechts schaute, an den Rand seines Blickfeldes, erkannte er er eine karstige Region, nacktes Vulkangestein, teilweise von Schnee bedeckt.
Nach einer Weile hatte er genügend Kräfte gesammelt. Er schaffte es, sich unendlich langsam aufzurichten. Als er saß, immer noch wacklig und mit zitternden Armen, kehrte allmählich das Körpergefühl zurück.
Mühsam bewegte er den Kopf nach links; der braune Himmel endete innerhalb weniger Kilometer im Boden. Rechts war es dasselbe.
Er blickte nicht auf einen Himmel, sondern auf das beleuchtete Dach einer riesengroßen Kaverne.
Goeddas Raum war vernichtet, nur Jenseitsdreurs Parzelle hatte die Zerstörung überdauert. Die Vulkanlandschaft schien zu einem großen Teil erhalten zu sein. Sie existierte nun in sich gekrümmt. Die Parzelle bildete eine Hohlkugel.
Saedelaere starrte lange Zeit auf den Himmel.
Das Leuchten, das durch den Boden drang, weckte Assoziationen in ihm. Er hatte den Eindruck, daß die Lichtintensität schwankte. Das Flackern erinnerte ihn an etwas ... Die Parzelle schien sich im Hyperraum zu befinden, ebenso wie vorher Goeddas Raum.
Er schätzte, daß der Durchmesser zwanzig Kilometer betrug. Die Gravitation stammte möglicherweise von einer rotierenden Bewegung. Es handelte sich um eine Zentrifugalkraft, die alle Körper am Boden der Parzelle nach außen zog.
Saedelaere ahnte, daß es irgendwo im Hyperraum 52 Parzellen gab, jede mit einem Philosophenpaar bemannt.
Ich werde dich behüten und wieder groß machen, Kleine Mutter.
Die Worte fielen ihm schon wieder ein. Jenseitsdreur glaubte offenbar, daß er in dieser braunen Hohlwelt ein verkleinertes Ebenbild von Goedda erschaffen konnte.
Große Mutter-Kleine Mutter. Es war im Grunde sehr einfach.
Saedelaere wußte nicht, welche Erfolgsaussichten der Philosoph besaß. Er konnte nur hoffen, daß Jenseitsdreur
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