1868 - Hoffnung der Tolkander
damit die neue Generation, in der Leute seiner Art nicht mehr erwünscht waren. Was für ein Unterschied zu früher, als ihnen geradezu Heldenverehrung entgegengebracht worden war!
Sie wandte sich ihm zu und zuckte mit den Achseln. „Ich kenne euch nicht", sagte sie. „Wir sind Lichtjahre weit voneinander entfernt."
Sie machte ihm sehr deutlich, daß Welten zwischen ihnen lagen, unterschiedliche Ansichten, konträre Auffassungen. Sie wußte nicht, welche Position er eigentlich einnahm obwohl ohne Amt und Titel, konnte er einfach die Entscheidungsgewalt an sich nehmen.
So etwas beunruhigte natürlich. Bré war sich noch nicht darüber im klaren, was sie von einer solchen Machtbefugnis zu halten hatte. Die Vergangenheit lehrte, daß Macht oft ausgenutzt wurde ...
Er hob die Hände in einer umfassenden Geste. „Ich bin jetzt hier."
„Natürlich." Sie lächelte, und er bemerkte zum wiederholten Mal den skeptischen Unterton auf ihren Lippen.
Ein sehr sinnlicher Mund übrigens. Er kannte sich da aus.
„Ich will damit sagen, daß uns eine Menge trennt. Eure Erfahrung, euer Wissen. Ihr seid Außenseiter, ob ihr wollt oder nicht." Ihr Lächeln vertiefte sich. „Aber natürlich wollt ihr."
„Das bringt die Unsterblichkeit so mit sich, denke ich", versuchte er ihr Urteil abzumildern.
„Ich habe meiner Aussage keinerlei Wertung beigefügt", wehrte sie ab. „Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, andere in bestimmte Kategorien einzuteilen. Die meisten Lebewesen dieser Galaxis sind Individualisten. Jeder hat eine Aufgabe oder sucht sich ein Lebensziel aus und verfolgt es - sei es, Karriere zu machen oder faul zu Hause herumzuliegen. Es steht mir nicht zu, andere aufgrund ihres Verhaltens, ihres Äußeren zu bewerten."
„Kritisierst du deine Freunde nie?"
„Freunde sind etwas anderes. Aber auch wenn ich sie kritisiere, dann nur, um meine eigene Stellung zu halten. Bedingt durch meinen Beruf, bin ich gezwungen, Distanz zu halten. Ich beobachte und analysiere - was andere daraus machen, ist ihre Sache. So betrachte ich auch eure Unsterblichkeit. Ich weiß nicht, ob es einen Sinn hat, wenn ihr den Werdegang der Galaxis ständig begleitet; vielleicht verursacht das nur eine gewisse Starrheit des Systems. Andererseits aber sollte es einen Sinn haben, sonst wurde euch das nicht widerfahren sein. Man muß immer beide Seiten betrachten."
„Und deine rein persönliche, private Ansicht?"
Sie hob die rechte Augenbraue. „Das wird doch ein bißchen zu persönlich, meinst du nicht?"
Atlan nickte. „Kommen wir auf die GILGAMESCH zurück", forderte er sie auf.
„Na schön! Ich habe natürlich nur einen kurzen Eindruck gewinnen können. Aber ich habe durchwegs positive Veranlagungen festgestellt. Einige der Besatzungsmitglieder sind sicherlich menschlich als schwierig einzustufen aber vertrauenswürdig sind alle, die mir über den Weg liefen."
„Hast du mit allen geredet, oder wie konntest du das in der Kürze feststellen?"
„Das ist mein Beruf, Atlan." In ihren Augen blitzte etwas auf, als sie ihn ansah - direkt und sezierend.
Ihre Haltung wurde steif und ihr Tonfall schneidend. „Keiner kann aus seiner Haut, weder du noch ich. Stimmst du mit mir darin überein?"
„Absolut."
„Na schön. All deine Fragen drücken aber doch nur eines aus: Du zweifelst an meiner beruflichen Professionalität und Erfahrung, um sofort einer solch eminent wichtigen Aufgabe zugeteilt zu werden, nicht wahr?"
Sie erwartete keine Erwiderung, sondern sprach sofort weiter (wobei ihre Augen inzwischen ein ziemlich wetterleuchtendes Funkeln angenommen hatten): „Ich bin blutjung, meine Examina liegen zwei Jahre zurück, und ich bin erst vor kurzem von der LFT angestellt und auf die FARGO kommandiert worden. Du und deinesgleichen, ihr umgebt euch normalerweise nur mit gesetzten älteren Herrschaften, die schon einiges an Erfahrung und Abgebrühtheit mitbringen, euren Gedankengängen folgen können und sowieso alles besser wissen als die jüngere Generation. Klar soweit?"
Atlan schwieg vorsichtshalber.
Sein Logiksektor nicht. Und temperamentvoll dazu, fügte er seiner vorherigen Bemerkung hinzu.
„Diesen Generationenkonflikt gibt es bestimmt schon seit Anbeginn der Entstehung intelligenten Lebens und wird sich auch nie ändern", sprudelte es weiter aus ihr hervor. „Ich verstehe deine Zweifel, und ich akzeptiere sie. Darf ich als Ausgleich dafür verlangen, daß du sie mich nicht so deutlich spüren läßt? Ich weiß, das ist viel
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