1877 - Das Trojanische Pferd
„Kania, wo bist du?"
Cistolo Khan umschloß sein Handgelenk und machte mit der freien Hand eine Bewegung zum Ausgang hin. Myles begriff und ging widerstrebend vor. Flame, Hennik Gartz und Bré Tsinga folgten den beiden Männern.
Im Saal, der sich allmählich erhellte, verebbte der Beifall. Es gab vereinzelte Hochrufe auf die Nonggo, ja sogar auf die Koalition Thoregon. Dann verließen die Männer und Frauen von Terra und den solaren Planeten den großen Anhörungsraum und verteilten sich in kleinen Gruppen.
Cistolo Khan führte Myles Kantor, der unaufhörlich Fragen stellte, in einen leeren Korridor und ließ sich von einem Computer einen Raum anweisen, in dem sie ungestört waren. Die Tür öffnete sich schon vor ihnen und schloß sich hinter Bré, die als letzte eintrat.
„Darf ich jetzt endlich erfahren, was das alles soll?" fragte Kantor aufgeregt, nachdem er sich von Khan losgerissen hatte. „Wo ist Kallia? Ihr wißt doch etwas!"
„Wir wissen, daß sie verschwunden ist", sagte Flame Gorbend. „Myles, ich sah, wie sie sich im Dunkeln davonstahl, und bin ihr nach - jedenfalls habe ich es versucht. Leider habe ich sie nicht finden können, und auf meine Funkanrufe hat sie nicht reagiert. Ich hab’ ein halbes Dutzend TLD-Agenten mit der Suche nach ihr beauftragt und werde mich selbst ..
„Warum hast du es mir nicht gesagt?" fuhr Kantor ihr ins Wort. „Verdammt, ich kenne sie besser als ihr!
Wenn ich mir vorstelle, wo Kallia jetzt sein könnte und was sie in ihrer geistigen Verwirrung tut ..."
„Wenn sie etwas angestellt hätte, dann wüßten wir’s inzwischen", sagte Khan. „Und Flame wollte sicherlich nicht für Aufregung sorgen und die Ansprache der Nonggo platzen lassen. Sie wurde auch direkt nach Terra und zu den Planeten und Monden übertragen, wie ihr wißt. Denk dir aus, welche Aufregung dort eine Unterbrechung schon wieder hervorgerufen hätte. Wir werden alles tun, um Kallia zu finden - das weißt du. Aber die Erklärungen der Nonggo waren ebenfalls wichtig."
„Ich werde mich wieder selbst an der Suche beteiligen und alle LFT-Wissenschaftler benachrichtigen", sagte Flame. „Verzeih mir, Myles, und versuche mir zu vertrauen. Wir finden sie bald."
Myles Kantor setzte sich und wischte sich mit den Händen über die Augen.
„Das Wichtigste ist jetzt, die Ruhe zu bewahren", sagte Bré Tsinga.
Die gerade erst 29jährige Kosmopsychologin vom Planeten Sabinn strich sich ihr langes, hellblondes Haar in den Nacken. Mit ihrer knabenhaft schlanken Figur wirkte sie unter den anderen Anwesenden fast wie deplaziert, aber das täuschte. Die junge Frau mit den großen blauen Augen war durchaus trainiert und in der Lage, ihren „Mann zu stehen".
„Die Ruhe bewahren!" fuhr Myles auf. „Das klingt gut."
„Wir haben keine Wahl. Die Nonggo scheinen einen Probelauf des Heliotischen Bollwerks vorzubereiten. Wir dürfen nichts riskieren, um die Beziehungen zu ihnen zu belasten. Ich halte sie nach wie vor für ehrlich. Es könnte fatale Folgen haben, wenn sie - entschuldige bitte, Myles - nun annehmen müßten, einer von uns wäre nicht bei Verstand und liefe Amok."
„Kallia würde nie ...!" protestierte er. Dann schluckte er, ließ die Schultern sinken und gab zu: „Ich weiß nicht, wozu Kallia momentan in der Lage wäre. Ihr habt ja recht, aber was soll ich denn tun? Wenn sie nicht gefunden werden will ... Ihr wißt, wie riesig dieses Bollwerk ist."
„Deshalb werden wir eben diskret vorgehen", sagte Flame Gorbend. Sie setzte sich zu ihm und legte ihre Hand auf die seine. „Myles, alle LFT-Wissenschaftler werden die Augen nach ihr aufhalten, und die Agenten sowieso. Natürlich ist das Bollwerk riesig, aber wenn wir uns auf die wichtigsten Sektoren konzentrieren, haben wir eine Chance. Kallia ist nicht nur verschwunden, um sich in einem unwichtigen Bereich zu verstecken. Wir finden sie."
„Ja", sagte er heiser. „Ja, sicher ..."
*
Während Flame Gorbend und Hennik Gartz weiter auf Myles Kantor einredeten und damit begannen, Kontakt zu den LFT-Wissenschaftlern und TLD-Agenten aufzunehmen, nahm Cistolo Khan Bré Tsinga beiseite.
„Was ist deine Meinung, Bré?" fragte er sie. „Sollten wir nicht lieber Paola Daschmagan und Gia de Moleon von Kallias Flucht unterrichten? Ich meine damit, ob dies klug wäre, angesichts der momentan immer noch sehr labilen politischen Stimmung auf der Erde."
Die junge Frau vom Planeten Sabinn blickte ihn an und schüttelte den Kopf.
„Das kann ja
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