1879 - Phantome in Terrania
birgt.
Alle meinen, daß der Inhalt was mit den Nonggo zu tun haben muß, weil es diese Nonggo waren, die die Wabe herangeschleppt haben. Aber ich weiß nicht recht ...
Vom Zoo ist die schwach leuchtende Barriere dieser kolossalen Erscheinung deutlich zu sehen.
Besonders in der Nacht. Mich stört das, weil die Tiere unruhiger sind als früher, seitdem diese Faktordampf-Barriere dort steht. Und sie werden immer unruhiger. Tiere haben einen untrüglichen Instinkt, und ich bin sicher, sie spüren, daß dort etwas Fremdes ist, und das ist ihnen nicht ganz geheuer.
Und das macht wiederum mir Sorge. Ansonsten wäre es mir egal, was es mit dem Faktorelement auf sich hat. Diese Nonggo werden es ja hoffentlich bald wieder dorthin zurückschaffen, woher es gekommen ist.
Es wird doch wohl noch einen Ersatz für das zerstörte Heliotische Bollwerk geben. Es geht doch nicht an, daß die Terraner, die es mit der Satellitenstadt Alashan und dem TLD-Tower irgendwohin verschlagen hat, nicht mehr heimkönnen!
Nein, nein, um sie mache ich mir eigentlich keine Sorgen. Die Regierung hat die Sache bestimmt im Griff.
Da bereitet mir das Verhalten meiner Tiere schon mehr Kummer.
*
Das war wieder so eine Nacht.
Der Koyjonga-Hirsch stand mit zitternden Flanken da, den Kopf mit dem Geweih hielt er starr. Nur die Augen irrten unruhig hin und her. Er sah mich nicht, obwohl ich in seiner Blickrichtung stand.
Ich rief seinen Namen: „Mongo!" und redete beruhigend auf ihn ein. Doch Mongos Aufmerksamkeit wurde von irgendwas anderem abgelenkt. Ich lauschte in die Nacht, aber nichts außer den vertrauten Tiergeräuschen war zu hören.
Zugegeben, es war unruhiger und lauter als in den Nächten davor. Alle Tiere des Zoos schienen von einer unergründlichen Unruhe und Nervosität erfaßt worden zu sein. Aber dennoch waren keine Fremdgeräusche zu hören.
Plötzlich sprintete Mongo los, rannte und sprang wie tollwütig durchs Gehege. Was ich auch versuchte, um Mongo zu beruhigen, es half nichts.
Das tat mir tief in der Seele weh.
Ich rief Doc Florian Garger an, den Veterinärmediziner, und machte Flo auf Mongos seltsames Verhalten aufmerksam.
„Glaubst du, daß ich Daumen drehe, Byte?" schnauzte er mich an. „Ich habe alle Hände damit zu tun, mich um alle möglichen exotischen Bestien zu kümmern, die durchdrehen. Da fehlt mir der Koyjonga gerade noch!"
Ich ging weiter auf meiner Runde und traf überall auf verstörte Tiere, die sich entweder in ihre Verstecke drückten und ängstlich die Nacht beobachteten, oder verwirrt umherirrten.
Was witterten sie, was ich nicht sehen konnte?
Nur die Aporis-Spinne schien von der allgemeinen Unruhe unberührt. Ihr mächtiges Netz spannte sich still und unbewegt zwischen zwei Mammutbäumen über deren gesamte Höhe. Ich mußte das Nachtglas zu Hilfe nehmen, um den schwarzbehaarten und ertrusergroßen Körper auf halber Höhe im Geäst erkennen zu können.
Die Riesenspinne lag dort völlig reglos. Vielleicht träumte sie davon, daß die allgemeine Hysterie ihr zu fetter Beute verhalf. Wer kennt schon die Träume von Spinnen? Ich weiß nicht mal, ob sie überhaupt träumen.
Ich näherte mich dem Gehege des Welsch und kam an Ringos Gehege vorbei. So nenne ich den Affran-Bären, der mit seinen vier Metern Körpergröße und seinem goldenen Fell eines der schönsten und seltensten Tiere in unserem Zoo ist. Er gehört zur Gattung der Janusköpfe, weil unter dem Fell seines Hinterkopfes ein zweites Gesicht verborgen ist. Dieses kehrt er hervor, wenn er zum Angriff übergeht. Er ist das einzige Exemplar in der ganzen Milchstraße. Hanseaten haben ihn von dem Planeten Affran mitgebracht, der rund zehn Millionen Lichtjahre entfernt irgendwo in Richtung Virgo-Haufen liegt.
Als Ringo mich durch die Energieschleuse kommen sah, lief er mir auf allen vieren entgegen und schmiegte sich zärtlich an mich. Sein Fell war leicht gesträubt, sein Körper zitterte, aus seinem Schmusemaul kamen klägliche Geräusche.
„Braver Ringo, ist ja gut. Byte wird es wieder richten. Byte läßt nicht zu, daß Ringo was passiert."
In dieser Art redete ich auf den Affran ein, als ich plötzlich merkte, wie sich seine Nackenborsten aufstellten, sich sein Kopf drehte und das Kampfgesicht seines Hauptes zum Vorschein kam. Das Schmusemaul verschwand unter dem Fell, und ein riesiger Rachen tat sich über mir auf.
Ich rannte schon beim ersten Anzeichen beginnender Aggression los und lief, was meine alten Beine hergaben.
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