Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
188 - Der Rattenkönig

188 - Der Rattenkönig

Titel: 188 - Der Rattenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
Vom Netzwerk:
dauern, bis die Spritze wirkt?« wollte die lästige Patientin wissen.
    »Nur ein paar Minuten. Sie brauchen also nicht gleich wieder zu klingeln, nachdem ich den Raum verlassen habe.«
    »Sie sind schließlich dafür da, oder sehe ich das falsch? Wenn Ihnen die Arbeit zuviel ist, hätten Sie nicht Krankenschwester werden dürfen. Man weiß schließlich, daß man zu diesem Beruf Liebe, Verständnis und Aufopferungsbereitschaft braucht.«
    »Es sind zum Glück nicht alle Patienten so wie Sie.« Das war Schwester Priscilla herausgerutscht. Sie hätte sich zu dieser Bemerkung nicht hinreißen lassen dürfen, aber Jaimie Cosby konnte sogar einen sanften, verständnisvollen Heiligen in Weißglut versetzen.
    Die Patientin japste empört nach Luft. »Das nehmen Sie zurück, Sie böses, herzloses Weib.«
    »Es tut mir leid.«
    »Was ich morgen dem Chefarzt erzähle, wird ihn veranlassen, Sie hinauszuwerfen.«
    »Beruhigen Sie sich. Versuchen Sie zu schlafen«, erwiderte Schwester Priscilla unbeeindruckt und zog sich zurück.
    Eine halbe Stunde später läutete Jaimie Cosby schon wieder. Priscilla war versucht, nicht mehr nach der Patientin zu sehen, aber sie wollte sich nicht vorwerfen lassen, daß sie ihren Dienst vernachlässige, deshalb machte sie sich erneut auf den Weg.
    Auf dem Flur schien sie ein kalter Atem zu streifen. Sie blieb irritiert stehen und blickte zurück. Niemand war zu sehen. Seltsam berührt ging sie weiter.
    »Ich habe eine Ratte gesehen!« behauptete Jaimie Cosby aufgeregt, als die Krankenschwester neben ihrem Bett stand.
    »Das ist unmöglich«, erwiderte Schwester Priscilla überzeugt.
    »Na hören Sie mal, denken Sie, ich spinne? Ich habe eine große, fette Ratte gesehen. Sie saß mitten in diesem Zimmer auf dem Boden und starrte mich feindselig an.«
    »Es ist zu dunkel. Sie können nicht…«
    »Ich habe verdammt gute Augen.«
    Priscilla seufzte gequält in sich hinein. Warum hörst du nicht auf, mir den Nerv zu töten? dachte sie ärgerlich. »Okay, und wo ist die Ratte jetzt?«
    »Was weiß ich. Unter einem der Betten vielleicht. Sie müssen das Biest suchen und erschlagen.«
    »Es gibt keine Ratten in diesem Krankenhaus«, sagte die Schwester energisch. »Würden Sie das bitte zur Kenntnis nehmen?«
    »Ach, und was habe ich gesehen ? Ich leide nicht an Delirium tremens. Ich sehe keine kleinen grünen Männchen, keine weißen Mäuse - und keine Ratten, wenn es keine gibt!«
    »Sie haben wahrscheinlich schon kurz geschlafen und von einer Ratte geträumt.«
    »Meine Augen waren die ganze Zeit offen! Bin ich ein Kaninchen, daß ich mit offenen Augen schlafe?«
    »Es ist durchaus möglich, daß die Spritze Sie Traum und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden läßt. Sie können wirklich ganz beruhigt sein. Es gibt keine Ratten im St. Paul’s Hospital.«
    Bestimmt hätte Jaimie diese Diskussion noch eine Weile fortgesetzt, wenn sich keine so große Müdigkeit ihrer bemächtigt hätte.
    Erleichtert ging Schwester Priscilla hinaus. In dieser Nacht würde ihr Jaimie Cosby wohl nicht mehr auf die Nerven gehen. Ratten in dieser Klinik - so ein Blödsinn!
    ***
    Jaimie Cosby hatte eine grauenvolle Vision!
    Die gegenüberliegende Wand verfärbte sich, war nicht mehr weiß, sondern erdbraun. Wie heller, trockener, nach Regen dürstender Boden sah sie aus, und Jaimie wußte, daß diese Wand nicht mehr zum Krankenhaus, sondern zu einer anderen Welt gehörte!
    Eine Wand aus heller, ins Gelbliche fließender Luft mußte das sein - durchlässig und durchsichtig.
    Ein Bild des Schreckens formte sich, zunächst unscharf, trübe und verschwommen, doch sehr bald traten die Konturen hart und erschreckend hervor.
    Jaimie stockte vor Angst der Atem. Was für eine Spritze hat mir die Schwester gegeben, durchfuhr es sie.
    Die Höllenwand ließ einen grauenerregenden Schädel durch. Lautlos kam er ins Zimmer, und Jaimie Cosby war die einzige, die ihn sah.
    Sie wollte alle wachbrüllen, aber sie brachte keinen Ton heraus.
    Ein schäbiger Schädel war das. Angenagt vom Zahn des Verfalls, porös der Knochen, zerfressen die Haut, die nur noch in runzeligen Fragmenten vorhanden war. Der Unterkiefer fehlte, im Oberkiefer steckten nur noch fünf Zähne.
    Die Haut war in Auflösung begriffen. An manchen Stellen hing sie fetzig herunter und bedeckte weiter oben den blanken Knochen wie ein unregelmäßiges, fadenscheiniges Netzwerk.
    Grausame Dämonenaugen starrten sie an.
    Aber die Horrorvisage war noch nicht alles, was Jaimie

Weitere Kostenlose Bücher