188 - Der Rattenkönig
Umständen war es erforderlich, daß sich der Industrielle fluchtartig in Sicherheit brachte. Wurde er dann erst geweckt, würde er so schlaftrunken sein, daß es zu einer verhängnisvollen Fehlleistung kam.
»Mr. Peckinpah!« raunte Cruv.
Es war so dunkel im Raum, daß man die Hand nicht vor den Augen sah.
»Sir!«
Der Industrielle reagierte nicht.
Cruv trat näher.
In letzter Zeit hatte Peckinpah einige dünne Pechsträhnen gehabt. Es war nicht immer alles so verlaufen, wie er es sich vorstellte. Anscheinend waren einige seiner guten, manchmal sogar die Welt umspannenden Beziehungen eingerostet und bedurften dringend einer Auffrischung.
Er hatte sich mehrmals für Tony Ballard einzusetzen versucht, wie er es seit vielen Jahren tat, konnte jedoch nicht die gewohnten Erfolge erzielen.
Cruv glaubte, daß ihn das mehr bedrückte, als er zuzugeben bereit war. Peckinpah war eine Spur stiller geworden - und zurückhaltender. Aber das hatte nichts mit seinem Alter zu tun, sondern mit dieser zeitweiligen Erfolglosigkeit, die ihn ärgerte.
»Mr. Peckinpah!«
Cruv berührte das aufgebauschte Federbett, unter dem niemand lag!
Das Bett des Industriellen war leer!
***
Wieder flammte auf dem Klingelbrett ein Lämpchen auf, doch diesmal rief nicht Jaimie Cosby um Hilfe. Schwester Priscilla machte sich unverzüglich auf den Weg, obwohl der Roman, den sie gerade in Arbeit hatte, sehr spannend war. Sie beneidete die Autorin um ihr packendes Erzähltalent und bewunderte ihren großen Wortschatz. Diese Frau konnte mit Worten malen. Schwester Priscilla hätte das auch gern gekonnt.
Doch ihre Fähigkeiten lagen woanders. Sie konnte helfen, konnte Geduld und Verständnis aufbringen, wenn es sich nicht gerade um ein Ekel wie Jaimie Cosby handelte, die die Nerven aller Mitmenschen in schamloser Weise strapazierte.
Schwester Priscilla betrat einen größeren Krankensaal. Eine der Patientinnen hatte Probleme mit dem Katheter. Priscilla brachte das in Ordnung und verließ den Raum wieder.
Da sie sowieso an dem Zimmer vorbeikam, in dem Jaimie Cosby lag, wollte sie einen Blick hineinwerfen, um zu sehen, ob die Patientin endlich schlief.
Als sie die Tür öffnete, war ihr, als würde etwas über ihre Füße huschen.
Eine Ratte?
Ausgeschlossen, im St. Paul’s Hospital gab es keine Ratten!
Priscilla begab sich zu Jaimie Cosbys Bett - und erstarrte. Entsetzt riß sie die Augen auf, als sie sah, daß im Mund der Patientin eine Ratte steckte!
***
Cruvs Nervenpegel schnellte schlagartig nach oben. Wenn Tucker Peckinpah nicht in seinem Bett lag, hieß das, daß er auch etwas wahrgenommen hatte und der Sache auf den Grund gehen wollte.
Leider tat er dies auf eigene Faust, und das gefiel dem Gnom ganz und gar nicht. Der Industrielle hielt sich leider nicht an die Spielregeln. Es wäre seine Pflicht gewesen, seinen Leibwächter zu informieren, statt dessen geisterte er allein und schutzlos durch das große Haus. Aber wer konnte einem Mann wie Tucker Peckinpah schon Vorschriften machen?
Cruv machte auf den Hacken kehrt und verließ beunruhigt das Schlafzimmer des Industriellen. Wo sollte er Peckinpah suchen? Wo lauerte die Gefahr auf den Industriellen?
Besorgt stürmte der Gnom den Flur entlang und die Treppe hinunter. Er traf Tucker Peckinpah auch nicht in dessen Arbeitszimmer an. Befand sich der Industrielle etwa gar nicht mehr im Haus?
»Mr. Peckinpah!«
Jetzt rief er ihn mit lauter Stimme, und er machte in jedem Raum, den er betrat, Licht.
»Mr. Peckinpah!«
Seine Stimme hallte durch das ganze Haus, doch er bekam keine Antwort. Kürzlich war der Industrielle von einer umwerfend schönen Schwarzblütlerin gewissermaßen als Protektor mißbraucht worden.
Als Journalistin hatte sie sich an ihn herangemacht, und er hatte sie ahnungslos zu seiner Party eingeladen. Er hatte sie sogar mit Tony Ballard bekannt gemacht, was diesem beinahe zum Verhängnis geworden wäre. [1]
War Tucker Peckinpah heute noch Schlimmeres passiert?
Cruv wetzte mit seinen kurzen Beinen in den Salon. Als er auch dort das Licht anknipste, traf ihn der Schock mit eisiger Wucht. Tucker Peckinpah stand mitten im Raum, zitternd und leichenblaß.
»Vorsicht, Cruv!« preßte er krächzend hervor. »Hinter Ihnen!«
Der Gnom drehte augenblicklich den Silberknauf, und mit einem metallischen Klicken kamen die drei magischen Spitzen zum Vorschein.
Cruv wußte nicht, was sich hinter ihm befand und wie groß die Gefahr war. Nichts konnte ihn davon abhalten, sich
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