188 - Der Rattenkönig
daß er seinen Vater jemals in den Schatten stellen würde. Von Mortimer Kull sprachen immer noch viele. Über Morron Kull hingegen redete kaum einer, und wenn, dann höchstens geringschätzig.
Er hatte ein miserables Image in der Hölle, und er zerbrach sich seit langem den Kopf darüber, wie er das ändern konnte. Ideen kamen ihm viele, doch die meisten taugten nach eingehender Prüfung nichts.
Ob das, was er diesmal anbahnen wollte, zum Ruhmesblatt für ihn werden würde, mußte sich erst erweisen.
***
Wir hatten einen ruhigen, beschaulichen Abend verbracht - ohne Kampfstreß und Dämonen. Wann kam das schon mal vor?
Erinnern Sie sich noch an Jubilee?
Ja, Jubilee Goddard hatte uns am Nachmittag besucht. Wir hatten lange nichts von ihr gehört und freuten uns sehr, daß sie sich mal wieder bei uns blicken ließ.
Unser einstiger Prä-Welt-Floh war inzwischen zu einer hübschen jungen Dame gereift. Sie trug das brünette Haar immer noch sehr kurz, und wir liebten das schelmische Blitzen in ihren braunen gesprenkelten Augen.
Ein Dämon namens Cantacca hatte sie mit vier Jahren entführt. Als sie 17 gewesen war, wollte er sie zu seinem Weib machen, doch sie konnte fliehen -und lief uns aus der Prä-Welt Cor in die Arme.
An ihrer Entführung war damals ihre Familie zerbrochen. Die Mutter fiel in geistige Umnachtung, der Vater ging in den brasilianischen Dschungel.
Es war nicht leicht gewesen, diese Familie wieder zusammenzuführen, aber wir hatten es geschafft. Jubilees Mutter ging es wieder gut, und ihr reicher Vater war dem Schicksal - und uns - dankbar, daß er seine Lieben wiederhatte.
Jubilees Figur war fraulicher geworden. Sie gefiel uns allen sehr gut. Wir verbrachten einen unterhaltsamen, kurzweiligen Nachmittag zusammen.
Es stellte sich heraus, daß Jubliees Besuch einen besonderen Grund hatte. Sie war für uns irgendwie wie ein Patenkind. Wir fühlten uns alle für sie ein bißchen verantwortlich, nachdem wir ihr die Rückkehr auf die Erde ermöglicht hatten.
Sie eröffnete uns, einen jungen Mann kennengelernt und sich in ihn unsterblich verliebt zu haben. Ich erkannte sofort, daß das keine jugendliche Schwärmerei war, und ich wollte den jungen Mann, dem sie ihr Herz geschenkt hatte, kennenlernen.
»Wir werden ihn einem Test unterziehen«, sagte Mr. Silver grinsend. »Um zu sehen, ob er gut genug für dich ist.«
»Okay, ihr werdet ihn kennenlernen«, versprach Jubilee. »Aber ich warne euch! Wenn ihr ihn vergrault, so daß er von mir nichts mehr wissen will, seht ihr mich nie wieder, ist das klar?«
»Glasklar«, antwortete Mr. Silver.
»Und Boram soll ihm nicht die Hand geben«, bat sich Jubilee aus.
Es tat höllisch weh, wenn der Nesselvampir jemandem die Hand drückte.
»Läßt sich einrichten«, erwiderte ich.
»Wir hängen ihn einstweilen in den Schrank«, grinste der Ex-Dämon.
Boram, die hellgraue Dampfgestalt, stand reglos da und hörte zu, ohne ein Wort zu sagen. Er redete nicht gern und fast immer nur das Wichtigste, sehr zum Leidwesen von Mr. Silver, der seine Freunde so gern aufzog. Mit Cruv, dem Gnom, lieferte er sich oft hörenswerte Wortduelle. Bei Boram stieß er mit seinem giftigen Stachel stets ins Leere.
»Sobald sich die Gelegenheit ergibt, lernt ihr meinen Freund kennen«, versprach Jubilee.
»Ist es ihm auch so ernst wie dir?« wollte meine Freundin Vicky Bonney wissen.
»Wir lieben uns so sehr, daß ich es nicht mit Worten ausdrücken kann«, antwortete Jubilee, strahlend vor Glück.
»Denkt ihr an Heirat?« fragte Roxane, die Hexe aus dem Jenseits.
Jubilee wippte vielsagend mit den Augenbrauen. »Er hat mich noch nicht gefragt. Aber ich spüre, daß er es bald tun wird, und dann werde ich ganz bestimmt nicht nein sagen.«
Sie schaute auf die Uhr und sagte, sie müsse gehen, ihr Freund würde vor dem Big Ben auf sie warten.
Wir bekamen von ihr alle einen Kuß zum Abschied. Nur Boram nicht, aber der konnte ihre Zurückhaltung verstehen. Nachdem sie gegangen war, zogen sich Mr. Silvers Augenbrauen zusammen, und über seiner Nasenwurzel entstand eine tiefe Falte.
»Aus Kindern werden Leute«, brummte er.
Ich zeigte auf seine Stirn. »Ist das ein Grund zu solchen Dackelfalten?«
»Ich denke besorgt an Cantacca«, sagte der Hüne mit den Silberhaaren, »Hört sich wie der Titel einer Edelschnulze an«, bemerkte Vicky und strich sich eine Strähne ihres seidenweichen blonden Haares aus dem hübschen Gesicht.
»Wenn dem zu Ohren kommt, daß ein anderer Jubilee
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