188 - Der Rattenkönig
Ich kann dich jederzeit besiegen, und wenn du jetzt nicht auf der Stelle verschwindest, beweise ich es dir!«
So hatte noch nie jemand zu Rat-Tar zu sprechen gewagt. »Wir sehen uns wieder!« kündigte er an. »Meine Ratten werden dich zerfetzen! Du größenwahnsinniger Narr! Ein qualvoller Tod ist dir gewiß!«
Damit zog sich der Ratten-Dämon zurück.
Cruv grinste und lobte Morron Kulls großes Talent, sich Feinde zu schaffen. Tucker Peckinpah hatte den Eindruck, daß Morron Kull härter, gnadenloser und unzugänglicher geworden war. Aber er konnte nicht verstehen, warum Kull nichts von Rat-Tar wissen wollte.
»Ich akzeptiere nur Dämonen, die mir kräftemäßig ebenbürtig sind«, erklärte Morron Kull. »Und zwangsläufig selbstverständlich auch jene, die stärker sind als ich. Rat-Tar gehört weder der einen noch der anderen Kategorie an.«
»Er wird versuchen dich vom Gegenteil zu überzeugen«, sagte Tucker Peckinpah.
Morron Kull machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es wird ihm nicht gelingen!«
***
Mr. Silvers Einfall war gleichermaßen simpel wie genial. Die Vorbereitungsarbeiten waren bereits in vollem Gang. Der Ex-Dämon und ich überwachten sie.
Zwischendurch wurde ich von Dr. Pidgeon zum Telefon gerufen, und Roxane erzählte mir, daß Tucker Peckinpah von Nalphegar in die Hölle verschleppt worden war und von dort fliehen konnte. Das war eine sehr erfreuliche Nachricht, die ich brühwarm an Mr. Silver weiterleitete. »Tucker Peckinpah ist wieder zu Hause. Er schaffte die Flucht aus der Hölle.«
»Dieser Mann hat meine Hochachtung«, sagte Mr. Silver anerkennend.
Die Arbeiten waren bald abgeschlossen, und somit war der Grundstein für den Untergang der schwarzen Ratten gelegt. Untergehen - das sollten sie im wahrsten Sinne des Wortes, und zwar in jenem abgemauerten Kanalstollen. Sobald sie alle dort unten waren, würden wir den Stollen fluten, und die Nager würden in dem mit Silbermagie angereicherten Wasser ersaufen.
Da war nur noch ein Problem zu lösen: Wie bekamen wir die Ratten dort hinunter?
Mr. Silver wollte es mit einer magischen Lockspur versuchen. Er würde sie überall in der Klinik hinterlassen und zu einem Strang zusammenfassen, der sie hierherführte.
Ein Gelingen konnte Mr. Silver nicht garantieren, aber die Sache war auf jeden Fall einen Versuch wert.
Mit einem Schlag würde Rat-Tar alle schwarzen Komplizen verlieren - wenn es klappte.
***
Tom Raymond schlief sehr unruhig. Fortwährend drehte er sich hin und her, während ihn ein grauenvoller Alptraum quälte. Er sah wieder seinen toten Freund, und dann stieg er - im Traum -etwas früher in das schreckliche Geschehen ein.
Jetzt lebte Mike Totter noch, und Raymond war gezwungen, dabei zuzusehen, wie er starb.
Als Totter in den fiependen, hüpfenden und tanzenden Rattenhaufen fiel, schrie Raymond entsetzt auf. Mit quälender Deutlichkeit wurde ihm vor Augen geführt, wie schwer Totter zu leiden hatte.
Er war in Schweiß gebadet, keuchte und stöhnte. Seine Hände verkrampften sich immer wieder, und er wollte sich zwingen aufzuwachen.
Aber er wachte nur im Schlaf auf. In Wirklichkeit blieb er liegen, doch im Traum stand er auf und holte hastig seine Sachen aus dem Schrank.
Er verließ das Zimmer. Schwester Loretta kam ihm auf dem Flur entgegen. »Sie dürfen schon heimgehen? Davon weiß ich nichts.«
»Dr. Pidgeon hat es mir erlaubt«, log er. »Er hat mich noch einmal untersucht und festgestellt, daß es nicht nötig ist, mich länger hierzubehalten.«
»Dann wünsche ich Ihnen alles Gute«, sagte Schwester Loretta.
»Danke.«
Er kam gut aus der Klinik. Niemand hielt ihn auf und schickte ihn wieder zurück. Warum er den Bus nahm und nicht in ein Taxi stieg, wußte er nicht.
In Träumen wird die Vernunft ganz klein geschrieben.
Ein übelriechender Mann saß neben ihm und starrte ihn die ganze Zeit an. Er fühlte sich unbehaglich und setzte sich woanders hin, aber der Mann folgte ihm.
»Was wollen Sie von mir?« fragte er gereizt.
»Nichts. Darf ich mich nicht hinsetzen, wo ich will? Das tun Sie doch auch.«
»Ich verfolge Sie nicht.«
»Ich Sie auch nicht.«
Der Bus hielt in einer Gegend, die Raymond unbekannt war. Trotzdem stand er auf einmal vor dem Haus, in dem er wohnte. Er ging hinein - und sah den stinkenden Kerl wieder, der ihn breit angrinste. »Ich habe eine Abkürzung genommen«, behauptete der Fremde.
»Woher wußten Sie, wo ich wohne?« krächzte Raymond.
Der andere lachte. »Ich weiß
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