1880 - Die Dscherro
Befragern nie ausreichend, so gewissenhaft sie auch antwortete. Warum sonst quälte man sie mit jeder Antwort nur noch mehr?
Irgendwann verlor sie das Bewußtsein. Als Erina wieder erwachte, sah sie ein verschwommenes Gesicht über sich.
„Ich bin Doktor Camil Denaigle", sagte eine sonore Stimme. „Im Moment bist du in Sicherheit, arme junge Frau."
Ihr Blick klärte sich, und sie schluchzte vor Erleichterung auf, als sie das Gesicht eines Mannes mit grauen Schläfen erkannte. Es war ein Mensch, ein Terraner. Sie klammerte sich wie eine Ertrinkende an ihn, doch der Schmerz in ihrem Körper ließ sie zusammenzucken.
„Du bist im Faktorelement von Terrania-Süd, ebenso eine Gefangene der Dscherro wie wir alle", sagte Doktor Camil Denaigle und tupfte ihr den Schweiß vom Gesicht. „Du hast das erste Verhör überstanden, jetzt werden sie dich in Ruhe lassen. Ich werde dir helfen, so gut ich kann."
„Wo ist Paul?" fragte Erina.
„Ist das dein Paul?" fragte hoc Denaigle und deutete auf den Mann unter dem blutigen Laken, den die Roboter kurz vor der Frau hereingebracht hatten. Sein Körper wurde von heftigem Zittern geschüttelt, er phantasierte wie im Delirium.
Erina schrie bei seinem Anblick auf und wollte sich auf ihn werfen. Doch sie war zu schwach und brach zusammen.
Doc Denaigle beruhigte die junge Frau, so gut er konnte.
„Warum sind sie nur so grausam?" stammelte Erina. „Warum quälen sie uns auf so schreckliche Weise?"
„Sie wollen alles über uns Terraner erfahren", sagte Doc Denaigle, „obwohl das auch keine ausreichende Begründung für das grausame Verhalten der Dscherro sein kann."
„Was kann ich ihnen denn schon verraten?" wimmerte Erina. „Sie haben mich lediglich über das Geschehen in der Kirche befragt. Sie wollten alles über meine Trauung wissen. Nichts sonst. Ich habe ihnen alles gesagt. Ich hätte ihnen auch freiwillig geantwortet, doch sie haben mich unaufhörlich gequält ... Warum tun sie das?"
„Ich weiß es nicht", sagte Doc Denaigle erschüttert.
Er hätte der jungen Braut sagen können, daß es weitaus schlimmere Fälle von Mißhandlungen gab als den ihren und ihres Bräutigams. Doch das wäre für sie sicher auch kein Trost gewesen.
6.
Nur die höhergestellten Dscherro hatten eigene Unterkünfte. Die sechs Serofen besaßen großzügige Gemächer, die nicht nur luxuriös, sondern auch mit umfangreicher Footen-Technik ausgestattet waren. Diese ermöglichte es ihnen, große Teile der Burg zu überwachen.
Die rund 200 Mitglieder des Hofstaates unter dem Barrasch waren gemeinsam in einer Sektion untergebracht, die über den Mannschaftsräumen lag. Doch besaßen auch sie eigene, voneinander getrennte Unterkünfte. Je nach Stellung variierten diese von großzügigen Räumlichkeiten bis zu besseren Kammern. Der Barrasch selbst wohnte so fürstlich wie die Serofen, und er war mit ihnen auch in seinen technischen Möglichkeiten gleichgestellt.
Der Taka residierte im Zentrum der Burg, in einer von den Footen nach neuesten technischen Erkenntnissen eingerichteten Kommandozentrale. Von hier aus konnte der Taka, weiterreichend als die Serofen und der Barrasch, auf alle Vorgänge in der Burg Einfluß nehmen. Er konnte sämtliche Räumlichkeiten überwachen, im Zweifelsfall jeden einzelnen Dscherro auf Schritt und Tritt beobachten. Er konnte die Hangars für die Chresche und Schourchten sperren, die Zugänge und Schotten zur Burg schließen, jeden von ihm gewünschten Sektor von den anderen isolieren - die gesamte Burg in einen Schutzschirm hüllen und dergleichen mehr.
Der Taka hatte in seiner Burg Allmacht. Doch besaß er diese nur, solange die Footen sie ihm gewährten und die dafür nötige Technik nicht manipulierten. Das Leben in der Burg und ihre generelle Sicherheit stand und fiel mit den Footen.
Neben den unzähligen verschlungenen Tunnels, die die Burg durchzogen und die verschiedenen Abteilungen miteinander verbanden, gab es noch ein zweites Verbindungssystem. Es handelte sich dabei um zumeist dreißig Zentimeter durchmessende Röhren, die ebenfalls, wenn auch auf einer zweiten Ebene, die gesamte Burg durchzogen. Man hätte sie für ein System für die Luftzufuhr halten können. Tatsächlich handelte es sich dabei jedoch um die Geheimgänge der Footen, über die sie in alle Bereiche der Burg gelangen konnten.
Freilich, so geheim war dieses Footenlabyrinth nun auch wieder nicht, weil seine Existenz allgemein bekannt war und von den Stammesführern geduldet
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