1881 - Chaostage
ausbrechen, und dann sind sämtliche Verkehrswege verstopft.
Kannst du dir ausmalen, was geschieht, wenn die Dscherro auf so einen Stau treffen und zuschlagen?"
„Daran denke ich lieber nicht" ,versetzte Renouid Arrachen.
Bürgermeister Lero Abid Nuaro blickte ihm in die Augen, die tiefschwarz und voller Rätsel waren für einen Mann wie ihn. Er fragte sich, was hinter der kantig wirkenden Stirn des Polizeichefs vorging, was Arrachen wirklich dachte.
Ein quälend lange Pause entstand, in der keiner der beiden Männer zu wissen schien, was er sagen sollte, und in der keiner den Blicken des anderen auswich.
„Sag mir, was wir tun sollen", forderte der Bürgermeister von Terrania schließlich. „Sollen wir alles NATHAN überlassen, weil wir auf eine solche Situation nicht vorbereitet sind? Das Mondgehirn wird auf jeden Fall weniger Fehler machen als wir."
„Wir haben keine andere Wahl", stellte der Polizeichef fest. „Wir müssen NATHAN in jeder Hinsicht unterstützen. Wir müssen die Bevölkerung in Sicherheit bringen. Danach erst dürfen wir an die Werte dieser Stadt denken. Wir können sie später wieder aufbauen."
„Wieder aufbauen?" Nun stand Nuaro ebenfalls auf. Er überragte Arrachen deutlich.
Der Bürgermeister war groß, athletisch, und seine Hände waren nach wie vor ruhig, und die gewellten Haare waren nicht in Unordnung geraten.
Er war zweifellos eine imponierende Erscheinung, die mit ihrer Männlichkeit viele Frauen beeindruckte. Doch nun wirkte er unentschlossen. Er war ein hervorragender Verwaltungsfachmann, der auch die Polizei zu organisieren wußte, aber mit einer Situation, wie sie sich durch den Angriff der Dscherro ergeben hatte, war er deutlich überfordert. Strategische Erfahrungen im offenen Kampf hatte er nie sammeln können.
„Wieso sagst du so etwas? Du kannst doch nicht davon ausgehen, daß Terrania zerstört wird." Er hob abwehrend die Hände. „Nein, das ist lächerlich. Wir haben eine kleine Vorstadtkrise, und die geballte Macht der LFT sorgt dafür, daß es nicht mehr wird."
Er ging zu dem Stadtplan, der eine ganze Wand des Raumes ausfüllte, und deutete auf die in erster Linie bedrohten Bereiche Sirius River City, Monggon-Ost und -West sowie Thora Road mit dem sich anschließenden Universitätsgelände. Dann zeigte er auf das Raumhafengelände, das gerade mal zwölf Kilometer entfernt war.
14.19 Uhr zeigte das Chronometer.
„Das sind die Gebiete, die in erster Linie bedroht sind, und wie du sehen kannst, sind sie es, die evakuiert werden müssen", war er sich nach kurzer Abstimmung mit den anderen Bürgermeistern einig. „Die ganze Stadt können wir nicht räumen. Unmöglich. Oder muß ich euch daran erinnern, daß in Terrania über zwanzig Millionen Menschen leben und daß im Großraum von Terrania etwa 98 Millionen Menschen angesiedelt sind? Wo sollen diese Massen denn hin?"
Die Menschen der Erde und ihre Städte waren im Verlauf der vergangenen Jahrtausende von mehreren Schicksalsschlägen getroffen worden. In ihrem Rahmen war auch Terrania betroffen gewesen. Dennoch hatte sich das Antlitz der Stadt nicht entscheidend verändert, da es weitgehend nach altem Vorbild erhalten und nach Zerstörungen wieder aufgebaut worden war.
Noch immer wurde die Stadt von Parks und natürlich belassenen Waldflächen durchzogen. Die Flüsse waren größtenteils überbaut worden. Nur der Sirius River floß frei von Süden her durch Terrania und mündete in den Goshun-See.
Viele Straßen- und Gebäudenamen gehörten mittlerweile der Vergangenheit an. Eine Tipa Riordan Street, einen Anson Argyris Place oder eine Joaquin Cascal Street gab es nicht mehr.
Ausnahmen waren jedoch Thora Road, Waringer Building, Crest Lake oder Atlan Village.
Als Künstlerviertel hatte Atlan Village einen galaxisweiten Ruf und war eine Touristenattraktion ersten Ranges, so daß niemand auf den Gedanken gekommen war, diesen Namen aus dem Stadtplan verschwinden zu lassen.
Terrania, diese Metropole, sollte zerstört werden?
Der Bürgermeister konnte es sich nicht vorstellen.
Die Bauten jüngeren Datums konnten sicherlich - falls die Dscherro wider Erwarten nicht gestoppt werden konnten - rekonstruiert werden. Doch was war mit den Ruinen der mongolischen Stadt Khara Khoto im Stadtteil Karakoto, die durch ein Zeltdach aus Terkonitgewebe geschützt waren? Was aus den anderen antiken Sehenswürdigkeiten wie etwa das Grabmal des Dschingis-Khan, das sich 800 Kilometer östlich von Karakoto befand?
Das
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