189 - Die Nebelhexe vom Central Park
bereits fünfmal zugeschlagen.«
»Ich weiß«, kam es heiser über Matts Lippen. Seine Hände zitterten. »Jerry wollte nicht im Central Park bleiben. Warum habe ich nicht nachgegeben? Wenn ich ihm seinen Willen gelassen hätte, wäre ihm nichts passiert. Meine Sturheit hat ihn umgebracht. Nie werde ich vergessen, wie er mir entgegentorkelte - mit dieser panischen Angst in den Augen und dem entsetzlichen Wissen im Blick, daß er sterben würde…«
»Haben Sie gesehén, wer es getan hat?« wollte Noel Bannister wissen.
Matt Hensley schüttelte den Kopf. »Jerrys Schrei riß mich aus dem Schlaf… Als ich sah, daß ich nichts mehr für ihn tun konnte, stürmte ich los, um den Täter zu stellen, aber es war niemand mehr da.«
Die Erinnerung wühlte ihn so sehr auf, daß er nicht weitersprechen konnte. Wir ließen ihm Zeit, sich zu sammeln.
Matt wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung über die Augen. »Wir… wurden sogar gewarnt. ›Der Tod geht um im Central Park‹, sagte der Mann, aber ich nahm ihn nicht für voll. Er behauptete, es wäre gefährlich, im Park zu übernachten. Er sprach von einem häßlichen, grauenvoll aussehenden Geisternebel mit Krallen und strähnigem weißem Haar. Sogar den Namen dieses Nebels wollte er kennen: Sesima. Ich hielt das alles für ein lächerliches Hirngespinst.«
»Wie hieß der Mann?« erkundigte ich mich.
»Joe Clubber«, antwortete Matt. »Er nannte ihn so oft, daß ich ihn nie vergessen werde, sprach von sich immer in der dritten Person. Er ist ein Penner, schläft in einer der Unterführungen.«
Ich bat Matt, diesen Joe Clubber zu beschreiben, und mein junger Landsmann lieferte uns das Bild eines zerfledderten, dürren, bartstoppeligen Mannes, der nach billigem Fusel roch und nicht richtig tickte.
»Clubber sagte, er brauche vor dem Geisternebel nicht zu fliehen, denn ihm könne nichts passieren, weil er einen besonderen Schutz hätte«, informierte uns Matt Hensley weiter. »›Der Geisternebel mag solche Menschen nicht‹, behauptete er. Er meinte damit die Verrückten.«
Mir war bekannt, daß Geisteskranke von Schwarzblütlern zumeist nichts zu befürchten hatten. Vielleicht war es unter ihrer Würde, solchen Menschen etwas anzutun. Aber verlassen konnte man sich darauf nicht. In besonderen Fällen oder unter gewissen Voraussetzungen waren auch Narren vor Höllenwesen nicht sicher.
Ein Gespräch mit Joe Clubber konnte uns unter Umständen einen großen Schritt weiterbringen.
***
Nalphegar - ein Schwarzblütler, der grauenerregend aussah mit den langen, geschraubten Hörnerh auf dem Schädel und den gewaltigen Hauern im Maul -hatte Morron Kull versprochen, Cruv an einen sicheren Ort in der Hölle zu bringen. Denn nur wenn der Original-Gnom lebte, konnte auch sein Duplikat in Tucker Peckinpahs Haus existieren.
Das wußte Cruv I, und er hatte in seiner Verzweiflung einen folgenschweren Entschluß gefaßt: Er wollte Cruv II, seinen von Nalphegar geschaffenen Höllen-Zwilling, vernichten, indem er sich selbst das Leben nahm. Er war bereit, dieses Opfer für seine Freunde zu bringen, damit Cruv II keine Möglichkeit hatte, sie zu täuschen und ihnen zu schaden.
Auf einen hohen Tafelberg brachte Nalphegar den gefangenen Gnom. Mit seinen riesigen Fledermausflügeln war es leicht, das glatte Plateau zu erreichen. Hier sollte Cruv bleiben - bis in alle Ewigkeit. Oder so lange, wie es Morron Kull gefiel.
Doch der Gnom wollte den Feinden mit seinem Tod einen Strich durch die Rechnung machen. Er stürmte über das Plateau. Nalphegar nahm die Flucht des Kleinen zunächst nicht ernst. Der Gehörnte glaubte, Cruv würde am Ende des Plateaus stehenbleiben. Zu spät erkannte er, was der mutige Gnom von der Prä-Welt Coor wirklich vorhatte.
Cruv blieb nicht stehen, als er das Ende der Plattform erreichte. Je näher er der Kante kam, desto schneller lief er, und dann war plötzlich kein Fels mehr unter seinen Füßen.
Er stürzte in die Tiefe…
Das war der Augenblick, als Cruv II entsetzt schrie: »Ich sterbe! Es bringt mich um! Das Original! Es begeht Selbstmord!«
***
Lee Diamond kam zu sich. Ihm war, als würde er von den Toten auferstehen. Die Höllenqualen hatten ihn auf eine seltsame Art verändert. Er glaubte jetzt, jeden Schmerz ertragen zu können. Nichts konnte so schlimm sein wie das, was ihm die Hölle angetan hatte.
Er stellte fest, daß er sich nicht mehr in jenem Raum mit den vernagelten Fenstern befand, sondern auf dem schäbigen Sofa lag. Als er
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