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1892 - Als das Sternlicht erlosch

Titel: 1892 - Als das Sternlicht erlosch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Siebenton, ihn geliebt. Wenn das Schicksal es gewollt hätte, dann hätte sie sogar Kinder von ihm bekommen.
    Aber es hatte nicht so sein sollen.
    „Ich hatte Glück", sagte der junge Priester. „Wenn ich nicht gesehen hätte, daß genau am Tag der Sonnenwende eine totale Sonnenfinsternis auf Namwogg stattfinden würde, hätte ich die Frauen nicht retten und den Götzenkult nicht beenden können. Dann wären Bessen und die KRAHAL gefordert gewesen. Wir hätten die Namwoggs mit Waffengewalt bezwingen müssen."
    „So aber hast du sie bekehrt, und das ist ein viel größerer Sieg", sagte Walyon. „Spiel deinen Erfolg nicht herab, Siebenton. Du hast spontan erkannt, was zu tun war. Daß die Sonnenfinsternis stattfand, ist nicht dein Verdienst du hast recht, es war reines Glück. Aber was du daraus gemacht hast, wäre nicht vielen anderen eingefallen."
    „Dir wäre es eingefallen."
    „Heißt es nicht, du sollst deinen Hirten nicht unterbrechen?" Walyon lächelte. Sein Gesicht war alt geworden. Die Bewegungen waren träger als beim letztenmal, als sie sich gegenübergesessen hatten - hier an der gleichen Stelle, in Walyons Arbeitszimmer tief in der Inversen Wache, bevor Siebenton mit der KRAHAL aufgebrochen war.
    „Hirte" war kein Rang und keine Berufsbezeichnung wie „Shaogen-Hüter" oder „Seelenhirte". „Hirte" war im Shaogen-Kult die Bezeichnung für einen älteren Priester, der einen jüngeren unterwies und betreute.
    Und die Inverse Wache war die traditionelle Residenz des Seelenhirten von Wolkenort. Man gelangte zu ihr vom nördlichen Rand der Hauptstadt Bleuht, wo sich ein unregelmäßig gezacktes, von weißem Sand überzogenes Landefeld von rund vier mal sechs Kilometern Größe befand. Zu jeder Tages- und Nachtzeit herrschte dort reger Verkehr von Gleitern und Landefähren, die aus dem Orbit, wo die Schiffe parkten, Mönche auf den Planeten herabbrachten. Der gesamte Verkehr verschwand in einem von blauem Zelttuch überdachten Schacht von 45 Metern Durchmesser.
    Dieses unscheinbare Feld barg die Inverse Wache, die sich etwa dreitausend Meter nach unten und rund tausend Meter zu jeder Seite ausdehnte, also nach unten in die Erde gebaut war. Hier saßen alle Verwaltungsspitzen des Kults und des Planeten - in den oberen Stockwerken die weniger wichtigen, tiefer nach unten hin die immer einflußreicheren und bedeutsameren. In den alleruntersten Stockwerken befanden sich die Gemächer und Schaltzentralen des Seelenhirten.
    „Verzeih, Walyon!" bat Siebenton. „Ich wollte nicht respektlos sein."
    „Das weiß ich. Aber auch falsche Bescheidenheit ist nicht viel besser als falscher Stolz. Du mußt deinen Weg noch finden, Siebenton, zwischen diesen und anderen Extremen. Daß du die verschleppten Frauen gerettet und den Götzenkult gebrochen hast, ist eine Sache. Daß du acht lange Jahre auf Namwogg geblieben bist, um die KolonistenNachkommen langsam auf den rechten Weg zurückzuführen, ist eine andere. Du hast es freiwillig getan, niemand hätte dich dazu gezwungen. Hast du dabei etwas gelernt?"
    „Ich hoffe es", antwortete Siebenton. „Ich habe begriffen, daß keine Seele jemals wirklich verloren ist.
    Ich habe gesehen, wie leicht Mönche sich von einem Scharlatan ‘wie Twolgg und dessen Vorgängern vom rechten Weg abbringen lassen. Vor allem aber habe ich festgestellt, daß Gewalt nie ein Mittel zur Durchsetzung der eigenen Anschauungen sein kann. Einanal versuchte eine Gruppe von Namwoggs, die alten Zustände wiederherzustellen und die Macht an sich zu reißen. Ich bin ihnen unbewaffnet entgegengetreten und habe gelernt, daß das Wort immer und überall stärker ist als das Schwert."
    „Wenn man die richtigen Worte zur richtigen Zeit Emdet, ja", stimmte Walyon beeindruckt zu. Er erhob sich. „Aber jetzt will ich dich nicht länger festhalten. .’Ich habe mich sehr über unser Wiedersehen gefreut. Wir waren schon viel längere Zeit getrennt, aber acht Jahre’, zählen in meinem Alter nun zehnmal soviel wie zu dieser früheren Zeit. Morgen erwarte ich dich wieder zum täglichen Gebet und zum Unterricht. Aber jetzt", wieder lächelte er, „wirst du noch jemand anderen begrüßen wollen. Sie wartet auf dich, oben in der Stadt."
    Siebenton bekam große Augen. „Woher weißt du ...?" fragte er.
    Walyon grinste wie in alten Zeiten, als er selbst noch fast in Siebentons Alter war.
    „Es ist nicht schwer zu erraten. Sie hat sich oft genug an uns Priester gewandt und gefragt, wann du endlich von deiner

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