1899 - Katastrophe im Deltaraum
auf jeden einzelnen Tessma.
Ein Befehl von ULTIST setzte alle anderen, gegenteiligen auf niederigerer Basis außer Kraft. Von ULTIST aus konnten die Tessma in den Amoklauf getrieben werden, ihrem Zweck entfremdet, zur Waffe umfunktioniert.
Was Tautanbyrk wirklich beeindruckte und schockierte, war, daß von ULTIST aus ein Selbstmordimpuls an alle Baolin-Nda gegeben werden konnte. Auf Tautanbyrks betroffene Frage, warum dies so sei, antwortete der Hochtechniker, die Baolin-Nda seien ein so mächtiges Volk, daß es aus Gründen der „kosmischen Sicherheit" eine „Sicherung" geben müsse.
Mehr sagte er dazu nicht, aber die Schlußfolgerungen lagen auf der Hand: Die Baolin-Nda waren zwar technisch so hochstehend wie kein anderes bekanntes Volk, aber wer garantierte dafür, daß sie sich nicht eines Tages geistig so verwirrten oder von einem potentiellen Gegner verwirrt wurden, um eine Gefahr für sich selbst und das Universum darzustellen, das sie mit ihren Produkten belieferten?
Tautanbyrk war erschüttert, denn das Gehörte bedeutete, daß von ULTIST, aus alle im Deltaraum lebenden Baolin-Nda in den Suizid getrieben werden konnten. Das mußte er erst einmal verdauen.
Alles andere, was ULTIST zu bieten hatte, verblaßte dagegen. Tautanbyrk lernte es in den kommenden zwanzig Jahren kennen, aber nichts reichte in seiner Bedeutung an die beiden ultimaten Möglichkeiten der Steuerzentrale heran.
Dann und wann kam ein Bote von Thoregon, und Tautanbyrk wurde von seinem Gespräch mit Kuntherherr ausgeschlossen wie eh und je. Als er sich darüber zu beschweren wagte, bekam er wieder zu hören, daß alles seine Zeit brauche und die Zukunft erst vor ihm liege. Ein Heliote erschien nicht mehr. Tautanbyrk lernte und lernte jeden Tag, auch wenn er die Lektionen Kuntherherrs für noch so langweilig hielt. Aber er wollte selbst die letzten Geheimnisse kennenlernen, und vielleicht verplapperte sich der .Hochtechniker ja auch einmal.
Zwischendurch kehrte er immer wieder für Tage zu seiner Familie zurück und traf sich mit Viviaree. Er verriet nichts von dem, was er gesehen und erfahren hatte. In dieser Hinsicht konnte sich Kuntherherr auf ihn verlassen.
So vergingen weitere Jahre. Und dann eines Tages, unvermittelt, drang das fremde Schiff in den Baolin-Deltaraum ein.
Es war eine kugelförmige Einheit von sechzig Metern Durchmesser, außen mit einem perfekt spiegelnden, von innen heraus glimmenden Material beschichtet. Das Schiff stoppte genau in der Mitte des Deltaraums und schien darauf zu warten, daß sich jemand um es kümmerte. Es gab keine Funksprüche und keine Kontaktversuche anderer Art.
„Wir werden es uns aus der Nähe ansehen", verkündete der Dritte Bote. „Daß ein Schiff aus dem Standarduniversum durch das Tor zu uns gelangt, ist eigentlich ausgeschlossen." Er hielt kurz inne. „Vor allem deshalb, weil es stets diese Zeitverzerrungen im Standardtor gibt."
Er und sein Assistent begaben sich in eine Energiesphäre und steuerten das fremde Schiff an, das vollkommen passiv wartete. An einer Schleuse „dockten" sie an. Konkret hieß das, die Energiekugel dehnte sieh an den Seiten aus und klebte wie eine Blase am Schiff. Für Kuntherherr schien es: kein Problem zu sein, die Schleuse von außen zu öffnen.
Als sie den Raumer betraten, fanden sie an Bord keine Besatzung vor. Alle Gänge und Lifte führten sternförmig auf die Zentrale zu. Niemand zeigte sich, niemand wurde in den Kabinentrakten gefunden. Das Schiff, so schien es, war verlassen" Doch dann entdeckte Kuntherherr in einem Winkel der Zentrale eine transparente Kugel mit einer nur zwei Millimeter großen, gelatineartigen Masse darin. Und als ob der Wunder nicht genug gewesen wären, geriet der Hochtechniker außer Fassung und behauptete, daß es sich bei dieser mikroskopisch kleinen Masse um eine der seitlanger Zeit verschollenen Nano-Kolonnen handle. Es gab offenbar eine uralte Beschreibung, und er war ganz sicher.
*
„Was ist eine Nano-Kolonne?" fragte Tautanbyrk, als er den winzigen Klumpen mißtrauisch musterte.
Rein gefühlsmäßig empfand er Angst davor. Die Art, wie dieses Etwas in den Deltaraum eingedrungen war, rief bei ihm auch nicht gerade Sympathie hervor.
„Nano-Kolonnen", versuchte Kuntherherr ihm zu erklären, „sind mikrominiaturisierte Aktionseinheiten, die im atomaren Bereich selbständig operieren können und in der Lage sind, möglicherweise über Jahrtausende die programmierten Ziele selbständig zu verfolgen. Dabei
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