19 - Am Jenseits
Nachmittages vorüber. Aber wohin jetzt? Weit konnten wir für heute nicht. Zum Glück waren wir mit Wasser versehen, und so beschlossen wir, den Weg der Sanddünen, den wir nun schon einmal hin und einmal her geritten waren, zum drittenmal zurückzulegen und dann im Tal zwischen der letzten und vorletzten Düne zu übernachten. So ein Tal war mit wenigen Posten am leichtesten zu bewachen und gewährte uns den besten Schutz. Morgen früh wollten wir uns dann nach den Umständen richten.
Dies wurde ausgeführt. Der Weg wurde sehr langsam und vorsichtig, indem eine Vorhut voranritt, zurückgelegt, und wir erreichten die betreffende Stelle, als es eben dunkel werden wollte.
Wenn ich von der letzten und vorletzten Düne sprach, so meinte ich die letzten bedeutenden Höhen, nicht die kleineren, die dann, nach und nach immer niedriger werdend, in die flache Sandwüste übergingen, in welcher unsere Kamele ‚gemahlen‘ hatten. Das Tal war außerordentlich passend zum Lagerplatz. Die Höhen, zwischen denen es lag, vereinigten sich auf der einen Seite, während sie auf der andern so nahe nebeneinander herliefen, daß ein Einzelposten genügte, diesen Zugang zu bewachen. Eine vortrefflichere Stelle konnten wir gar nicht finden.
Heut mußten die Militärkamele von den Haddedihn mit bedient werden, welche also mehr als bisher zu tun hatten. Was den Perser betraf, so konnte er natürlich nicht daran denken, den Rückweg nach Meschhed Ali allein anzutreten. Er mußte bei uns bleiben und einstweilen mit uns weiterreiten, bis wir auf einem der Hauptwege eine Karawane treffen würden, der er sich heimwärts anschließen konnte. Er war außergewöhnlich still und beteiligte sich nicht an unserem Gespräch. Wenn ja einmal eine Frage an ihn gerichtet wurde, so beantwortete er sie so kurz wie möglich, oft nur mit einem einzigen Worte. Das war so auffällig, daß ich ihn nach dem Grunde dieser Einsilbigkeit fragte.
„Meine Asaker!“ seufzte er. „Ich muß nur immer an sie denken!“
„Ich tue das auch; aber kannst du es vielleicht dadurch anders machen?“
„Nein. Ja, du Effendi! Dich braucht das nicht zu bedrücken!“
„Etwa dich mehr als mich?“
„Ja, denn ich bin schuld an ihrem Tod. Zwanzig, zwanzig Seelen, die nun durch meine Schuld ganz unvorbereitet an die Waage der Gerechtigkeit treten! Dieser Gedanke ist unerträglich schwer!“
„Wieso trägst du die Schuld?“
„Weil ich deine heutige Warnung ebensowenig beachtet habe wie deinen gestrigen Rat. Du sagtest, ich solle sofort heimkehren; ich blieb aber trotzdem. Wenn wir gestern gleich nach dem Zweikampf fortgeritten wären, so hätten die Beni Khalid keine Zeit gehabt, mir einen solchen Hinterhalt zu legen. Ich habe also die Schuld zu tragen, ich ganz allein! Denn ich bin nicht nur einmal, sondern wiederholt gewarnt worden und habe nicht darauf geachtet. Wie schwer, wie unendlich schwer wird mich das dereinst belasten, wenn für mich die Zeit da ist, Rechenschaft abzulegen!“
Die Vorwürfe, welche er sich machte, waren leider nicht unbegründet, doch tat und sagte ich alles, was ich tun und sagen konnte, ihm das Herz leichter zu machen; es gelang mir aber nicht so, wie ich wollte.
Wir hatten die Kamele nach dem Hintergrund geschafft, dahin, wo die beiden Höhen zusammenstießen. Dort war nicht ein besonderer Wächter für sie nötig. Wir lagerten so vor ihnen, daß sie eingeschlossen waren. Zu unserer Sicherheit waren drei Posten erforderlich, welche wir ausstellten, nämlich auf die vor uns und auf die hinter uns liegende Höhe und den dritten rechts in die schon erwähnte Enge unsers Tales. Es schien also eine Überrumpelung ganz unmöglich zu sein, und in diesem Gefühl legten wir uns sehr zeitig schlafen, um früh gut ausgeruht zu haben, denn infolge der Drohung des Scheiks hatten wir anzunehmen, daß der morgige Tag ein anstrengender und gefährlicher für uns sein werde. Dieser Mann tat jedenfalls alles mögliche, seinen Schwur ganz und baldigst in Erfüllung gehen zu lassen!
Während uns dies natürlich Sorgen machen mußte, waren wir heut in Beziehung auf die Sicherheit unseres Lagerplatzes vollständig beruhigt. Wir hatten einen wunderbaren Sternenhimmel; es war bedeutend heller als gestern und vorgestern abend, und so hätten unsere Wächter blind oder sehr nachlässig sein müssen, um den Beni Khalid einen Überfall zu ermöglichen. Überhaupt war diesen letzteren die Stelle, an welcher wir lagen, höchst wahrscheinlich nicht bekannt.
Ich
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