191 - Das Duell
entsetzlichen Absturz fühlte er sich dem Tod näher als dem Leben.
Existierte er denn tatsächlich noch? Hatte er überhaupt noch eine Stimme? Würde seine Zunge ihm noch gehorchen, wenn er versuchte, Worte zu artikulieren? Er war sich nicht sicher. Also schwieg er lieber.
»Nicht einfach für Sie, ich weiß, Commander Matthew Drax, aber ich musste Sie diesen Prüfungen unterziehen.«
Schwer zu sagen, woher die Stimme genau kam. Matt Drax hatte den Eindruck, jeder einzelne dieser goldenen Augäpfel würde zu ihm sprechen.
»Verstehen Sie mich bitte, Commander Matthew Drax: Ich muss äußerst sorgfältig vorgehen. Ein einziger Fehler, nur eine falsche Entscheidung kann den Sieg kosten. Ich musste Sie so hart anfassen, denn der Feind ist stark, und nur die Besten werden ihm widerstehen. Und je länger ich Sie beobachte, desto fester steht mein Urteil: Sie gehören zu den Besten.«
Matt Drax drehte sich im allgegenwärtigen Licht. Ein Tentakel streifte sein Bein, es fühlte sich heiß an. Ein goldener Augapfel glitt dicht an seiner Stirn vorbei. Sein Licht schien in ihn einzudringen. Matt Drax lauschte den Worten des Fremden. Sie hörten sich nicht schlecht an.
Wäre er nicht so erschöpft gewesen, hätten ihn diese Worte vielleicht sogar brennend interessiert. Wer redete da eigentlich? Jedenfalls einer, der wusste, was er wollte; einer, der sich seiner Macht über ihn bewusst war.
Gleichgültig eigentlich, er fühlte sich so unendlich müde.
»Ist das jetzt so eine Art Gnadenakt, Sir?« Irgendwie fand er die Sprache wieder. »Ich meine: Erst dieses Gemetzel, dann ein Schock nach dem anderen, schließlich der Absturz, und jetzt dieses altväterliche Getue. Sorry, aber ich komm nicht mehr mit, Sir.«
Während Matt sprach, wurde ihm bewusst, wie er den unsichtbaren Sprecher anredete. Sir. Warum tat er das?
Hatte er Angst vor dem Unheimlichen? Hatte der unsichtbare Sprecher seinen Widerstand gebrochen?
Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, regte sich die Wut in ihm und verdrängte das Gefühl der Erschöpfung.
»Selbstverständlich verstehe ich Sie, Commander Drax«, sagte die freundliche Stimme aus dem Licht. »Wie gesagt: Es blieb mir keine Wahl, der Feind ist zu mächtig. Ich kann mir keinen Fehler erlauben, ich muss vorsichtig sein. Übrigens bin ich nicht unsichtbar für Sie, Commander Drax – was Sie sehen, bin ich. Sie schweben sozusagen in meinem Herzen.«
»Das beruhigt mich jetzt aber, ehrlich!« Obwohl Matt meinte, laut zu reden, kam ihm seine Stimme jämmerlich und dünn vor. »Was glauben Sie eigentlich, was das alles mit mir macht?«
Die Einsicht, dass der Unheimlich selbst jetzt, in diesem Moment, Einblick in seine Gedanken hatte – woher hätte er sonst wissen sollen, dass er ihn als unsichtbar eingestufte? –, stachelte seine Wut noch weiter an und vertrieb seine Müdigkeit endgültig.
»Das verdammte Hirnkino, das Sie mit mir veranstaltet haben, ist widerwärtig und menschenverachtend! Ich scheiße auf Ihre Prüfungen! Ich scheiße auf Ihre Angst vor dem Feind, von dem Sie da faseln. Ich habe nichts zu tun mit Ihren Feinden, Sir, und von mir aus können Sie zur Hölle fahren! Und jetzt will ich raus aus dieser Lichtsauna hier!«
»Selbstverständlich, Commander Drax«, sagte die freundliche Stimme aus dem Licht, den Augäpfeln und den Tentakeln. »Ihnen gebührt mein Respekt, und ich werde Sie nicht länger behelligen als unbedingt nötig, das verspreche ich Ihnen. Allerdings scheint es mir geboten, Sie auf einen Irrtum aufmerksam zu machen.«
»Jetzt bin ich aber gespannt.« Matt hätte gern geschrien und getobt, aber er saß am kürzeren Hebel. Er schwebte hilflos zwischen Ranken, Adern, Tentakeln und goldenen Augäpfeln durch gleißendes Licht, und hatte nicht die geringste Ahnung, wie er hier jemals wieder hinauskommen sollte. »Klären Sie mich also auf, Sir.«
»Ihr Feind ist mein Feind, Commander Drax«, sagte die Stimme. »Mein Feind ist Ihr Feind.«
Die Antwort verschlug Matt Drax zunächst einmal die Sprache. Hatte er richtig gehört? In seinem Schädel formte sich eine Idee, doch konnte das wirklich sein? »Sie sprechen jetzt aber nicht von den Daa’muren?«
»Ich spreche von den Daa’muren, Commander Drax, genau so ist es. Von den Daa’muren und dem Wandler. Sie, Commander Drax, haben vor Jahren eines der Eier zerstört, in denen die Daa’muren ihre neuen Organismen ausbrüten ließen. Das hat man Ihnen nicht verziehen, seitdem gelten sie bei diesen Kreaturen
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