191 - Das Duell
hast dir im Stillen gewünscht, Commander Drax würde nie zurückkehren!«
»Hör auf, Vater!« Rulfan blieb stehen und hob die Lampe, bis ihr Schein seinem Vater ins Gesicht fiel.
»Sieh der Wahrheit ins Auge, mein Sohn.« Sir Leonard zog Rulfans Arm nach unten, der matte Lichtkegel rutschte auf seine Brust hinunter. »Du hast dir insgeheim gewünscht, er würde im Orbit verhungern und verfaulen.« Ganz ruhig war seine Stimme plötzlich.
»Das ist nicht wahr!«, rief Rulfan.
»Du warst enttäuscht, als die Marsianer dir erzählten, wie quicklebendig er noch ist.« Sir Leonard kannte keine Gnade. Schonungslos sagte er seinem Sohn ins Gesicht, was er dachte. »Du hast dir so sehr gewünscht, er würde sterben! Denn dann könntest du sie endlich allein besitzen!«
»Hör auf!« Rulfan packte seinen Vater am Kragen und riss ihn zu sich. »Hör endlich auf!!«
Ihre Nasen berührten sich fast. Rulfan spürte den warmen Atem seines Vaters an seinen Lippen. »Ich weiß doch, wovon ich spreche«, flüsterte Sir Leonard. »Ich weiß doch, wie sehr ich deine Mutter besitzen wollte. Damals habe ich das auch noch Liebe genannt.« Er lächelte bitter. »So sehr wollte ich sie besitzen, dass ich nicht einmal den Tod scheute. Ganz bewusst nahm ich das Risiko einer tödlichen Infektion in Kauf, als ich das erste Mal mit ihr schlief. Ich setzte mein Leben aufs Spiel, als ich dich zeugte, ist dir das überhaupt klar, mein Sohn?« Er machte sich von Rulfan los. Der atmete schwer und wusste nicht, was er antworten sollte. »Deine Mutter war auch eine Barbarin, vergiss es nicht.« Sir Leonard strich seinen Kragen glatt.
»Wie könnte ich das vergessen?«
»Ich wäre fast an dieser Liebe zerbrochen, wenn du es denn wirklich Liebe nennen willst. Und deine Mutter ist tatsächlich daran zerbrochen, wie du weißt.« Er wandte sich ab und ging weiter. »Lass also die Finger von dieser Barbarin, sonst wirst du an ihr zerbrechen.«
Rulfan blieb stehen und sah ihm hinterher.
»Vielleicht tröstet es dich, wenn ich dir sage, dass sie auch für Drax verloren ist.« Die Dunkelheit verschluckte seinen Vater, seine Stimme entfernte sich rasch. »Für die ganze Welt ist die Barbarin verloren, denn Sie ist jetzt eine Kriegerin des Ahnen.«
Rulfans Augen wurden zu Schlitzen, er musste aufmerksam lauschen, um seinen Vater noch verstehen zu können.
»Das wollte ich dir sagen, mehr nicht…«
»Warte, Vater!« Rulfan riss die Lampe hoch und rannte Sir Leonard hinterher. »Was weißt du über den Ahnen? Was weißt du über Aruula?« Sir Leonard antwortete nicht, und so schnell Rulfan auch rannte, er holte seinen Vater nicht mehr ein. Dunkelheit und Fels schienen ihn verschluckt zu haben.
***
Matthew Drax stürzte wie ein Stein. Der Himmel glühte tiefrot. Es war, als hätte sich die Morgensonne über Kalifornien mit Blut gefüllt. Der Komet war auf die Erde niedergegangen, die Stunde X war da, die neue Zeitrechnung brach an, und Matthew Drax schlug in das Dach seines Elternhauses ein.
Ziegel zerbrachen, Dachsparren splitterten, er schlug auf dem Boden des Dachgeschosses auf. Holzdielen brachen, Estrich gab nach. Matt schlug auf dem Boden des ersten Obergeschosses auf. Teppichboden zerriss, Stein zerstäubte. Matt schlug auf dem Boden des Erdgeschosses auf. Parkett splitterte, Estrich brach ein.
Höllenlärm von allen Seiten, es krachte und donnerte, er durchschlug den Kellerboden, er stürzte in die Erde, er stürzte und stürzte und stürzte. Dunkelheit umfing ihn, Geröll prasselte, Gesteinsmassen donnerten in die Tiefe, Felsbrocken polterten, Magmafontänen rauschten, und er stürzte weiter, hörte nicht auf zu fallen.
Und dann, von einem Augenblick zum anderen: Stille.
Der endlos scheinende Sturz ging nach und nach in einen sanften Flug über; bald schwebte Matt Drax nur noch. Und kein Geräusch mehr, vollkommene Stille.
Er schwebte durch Licht, in einem Netz aus unzähligen Linien. Er schwebte zwischen wild wuchernden Efeuranken. Oder war es ein Geflecht aus dicken Adern, oder gar ein Knäuel aus Tintenfischtentakeln? Hunderte Augäpfel begafften ihn, und das Licht, das von ihnen ausging und ihn einhüllte, war golden.
»Willkommen, Commander Matthew Drax«, sagte eine freundliche Stimme aus dem Goldlicht. »Sie haben einen weiten Weg hinter sich. Ein Mann, der solche Mühen auf sich nimmt, um ein Ziel zu erreichen, verdient meinen Respekt.«
Matt Drax trieb durch das warme Goldlicht und wusste nicht, wie ihm geschah. Nach dem
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