1912 - Der Zylinder-Mann
Jahren."
„Was geschah da?" fragte Alaska. „Er quittierte den Dienst. Er trat aus Protest über meine Politik in den Ruhestand."
„Einfach so?" fragte Alaska. „Von einem Tag auf den anderen? Hat er, wenn er unzufrieden war, dies denn nicht vorher zum Ausdruck gebracht?"
„Natürlich hat er das. Immer wieder, bei jeder Gelegenheit übte er intern Kritik am Liga-Dienst. Seiner Ansicht nach hat der TLD keineswegs immer nur für Ruhe und Sicherheit gesorgt, sondern unter meiner Führung kräftig am Pulverfaß Milchstraße mitgezündelt."
„Was ja auch nicht so ganz von der Hand zu weisen ist ..."
Gia de Moleon schenkte dem Träger der Haut einen abweisenden Blick. „Viele Dinge kann man so und auch so sehen", wehrte sie ab. „Es gab, gibt und wird immer Notwendigkeiten geben, die unbequem sind und Diskussionen provozieren. Aber Navajo kritisierte nicht an einzelnen Fällen herum, er stellte unsere ganze Linie in Frage. Er zog damals die Konsequenzen - und nun will er Bürgermeister von Alashan werden! Er weiß genau, daß eine Zusammenarbeit zwischen ihm und mir unmöglich sein würde."
„Also würde er dich im Fall seiner Wahl absetzen. Das meinst du doch, oder?" fragte Alaska. „So weit wird es nicht kommen, nie! Clodia Zuint ist beim Volk so beliebt, daß mir nicht bange um sie ist. Um sie zu gefährden, müßte schon ein anderer kommen als dieser Moralapostel. Er ist ein Sonderling, Alaska, das siehst du doch selbst. Einer wie er wird nie von den Massen akzeptiert. Man wird über ihn lachen, vielleicht Mitleid mit ihm haben. Aber man wird ihn nicht zum Bürgermeister wählen."
Saedelaere war nicht ganz so sicher.
Stendal Navajo verfügte für ihn zweifellos über eine ungewöhnliche Ausstrahlungskraft.
Wenn er es geschickt anstellte ... „Ich verstehe nicht, warum ich ihn noch nie in Alashan gesehen habe", sagte Alaska. „Bei nur zweihunderttausend Einwohnern müßte eine solche Gestalt doch auffallen."
„Er ist ein Sonderling, wie ich schon sagte.
Einer, der liest und brütet und sich in seinen vier Wänden einschließt. Ich glaubte sogar, er hätte Alashan verlassen und sich in einem der anderen Stadtteile niedergelassen. Es ist ein Wunder, daß er sich jetzt heraustraut und sogar kandidiert. Aber so war er schon immer. Ich habe nie wirklich gewußt, woran ich mit ihm war - bis er mir in den Rücken fiel."
„Früher ist er also nicht so herumgelaufen?"
„Natürlich nicht. Aber es paßt zu ihm. Es unterstreicht seinen wirren Charakter."
Saedelaere konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß sich hinter Gia de Moleons abschätzigen Bemerkungen über Stendal Navajo eine gute Portion gekränkte Eitelkeit verbarg. Er war jedenfalls gespannt darauf, diesen seltsamen Mann persönlich zu treffen und mit ihm zu reden.
*
Jedder Colusha traute seinen Augen nicht, als er den Zylinder-Mann während der Abendnachrichten plötzlich auf seinem Bildschirm sah und ihn reden hörte. Er rief Darne herbei, die in der Robotküche gerade die Speisefolge für die kommende Woche programmierte.
China und Earth, die auf dem Boden spielten, wurden hellhörig. Selbst der Dackel richtete die langen Hängeohren auf. „Das ist er!" sagte Jerred aufgeregt. „Der seltsame Kauz, den ich vor drei Tagen getroffen habe. Er sagte, wir würden uns wiedersehen. Jetzt weiß ich, wie das gemeint war."
„Und?" fragte Darne unbeeindruckt. „Er trägt einen Hut, ja. Und einen komischen Rock. Was ist sonst noch mit ihm?"
„Hör doch hin. Er kandidiert zum Bürgermeister! Ich kenne ihn. Ich bin ihm begegnet!"
„Wie aufregend!" stöhnte sie. „Hast du dir auch gleich ein Autogramm geben lassen?"
Jedder verzog indigniert das Gesicht. „Das ist wieder einmal typisch für dich. Du wählst natürlich diese Clodia Zuint."
„Wen sonst?" fragte sie verwundert. „Na klar."
„Weil sie eine Frau ist und euch nach dem Mund redet." Jedder winkte ab. „Hör dir doch mal an, was dieser Mann uns zu sagen hat.
Und sieh dir seine Augen an. Dieser Mensch hat eine Vision."
„Wenn ich dich ansehe, habe ich auch eine Vision", seufzte Darne und begab sich in ihre Küche zurück. „Der ist lustig", lachte China, und Chessy begann mit dem Schwanz zu wedeln - allerdings nur, weil er zu seinem „Herrchen" auf den Sessel wollte, was sein „Frauchen" jedoch strikt verboten hatte.
Trotzig klatschte Jedder mit der flachen Hand auf die Lehne und flüsterte: „Na komm - eins, zwei ..."
Schon saß der Hund neben ihm, drehte
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