1916 - Krieg der Träume
wußte, daß selbst solche Verletzungen dank der Kunst der Medizin in Puydor bald wieder völlig ausgeheilt sein würden.
Wahrscheinlich blieben nicht einmal Narben übrig; nur die Erinnerung an die Schmerzen der eigentlichen Verbrennung würden, wenn überhaupt, nur sehr langfristig schwächer werden. Tote hatte es glücklicherweise nicht gegeben, wie Tolot in Erfahrung gebracht hatte.
Danach hatte er zu seinem Bedauern keine andere Wahl, als seinen Pflichten als neuer Kommandant im Haus ARANGITARIS nachzukommen. Ein Flut von Meldungen und Berichten ging bei dem Haluter ein, die er studieren und in Anweisungen an die Besatzung umwandeln mußte. ARANGITARIS hatte glücklicherweise keine schweren Beschädigungen davongetragen. Spätestens am nächsten Tag war die Chronautenstation wieder im alten Umfang einsatzbereit.
„Es gibt noch etwas, das ihr tun könnt", befahl Tolot seinen neuen Untergebenen.
Sie wirkten zwar immer noch ein bißchen desorientiert und unsicher, aber sie hatten vor dem Haluter keine Scheu mehr und folgten seinen Anweisungen.
Tolot stellte aus der Besatzung ein sehr großzügig bemessenes Arbeitskommando zusammen, das er mit dem entsprechenden Gerät und Fahrzeugen hinunterschickte zu Jii'Nevevers Insel, um die dort auf getretenen Schäden zügig beheben zu lassen Das trug ihm hoffentlich Anerkennung von Jii'Nevever ein - und außer dem verringerte es erheblich die Mannschaftsstärke auf ARANGITARIS, was Tolot nur recht sein konnte. Er wollte für alle Fälle vorbereitet sein. auch auf den Fall, daß Jii'Nevever entdeckte, daß Tolot bei weitem nicht der bedingungslose Gefolgsmann war, wie sie erwartete. In diesem Fall würde sie ihm die Besatzung auf den Hals hetzen. Tolot war sicher, daß er dem Rest der Besatzung gewachsen sein würde, aber er hätte einen Kampf gern vermieden - um so mehr, als er noch eine andere, weitaus wichtigere Aufgabe zu lösen hatte.
Gucky war der nächste, der von dem Shabazza-Chip befreit werden mußte.
Der Mausbiber war nicht nur wegen seiner einzigartigen Mutantenfähigkeiten der wertvollste Partner, den Icho Tolot kannte, auch charakterlich war Gucky dem Haluter ans Herz gewachsen. Haluter waren daran gewöhnt, auf sich selbst gestellt zu agieren, aber sie besaßen immer noch ihre Heimatwelt und viele Artgenossen.
Der Ilt aber hatte praktisch kein Zuhause mehr, er war nach allem, was Icho Tolot wußte, so ziemlich der Letzte seiner Art. Wenn Tolot versuchte, sich die Seelenqual dieser Einsamkeit auch nur vorzustellen, schauderte er ...
Er erinnerte sich: Guckys Ziel war die Station ORNAGHATOS gewesen.
„Funkverbindung mit ORNAGHATOS!" ordnete Icho Tolot an.
Nach kurzer Zeit war er mit einem Rawwen verbunden, der den schwarzhäutigen Riesen vom Bildschirm her neugierig musterte.
„Wer kommandiert die Station?" wollte Tolot wissen.
„Gibt es Neuigkeiten?" klang die Stimme des Mausbibers auf, während der Rawwe verschwand.
Gucky grinste fröhlich, als er den Platz vor der Kamera einnahm. Sein Nagezahn blitzte keck.
„Wie man will", antwortete Tolot.
„ARANGITARIS steht nunmehr Jii'Nevever in vollem Umfang zur Verfügung.
Ich stelle gerade ein Arbeitskommando für die Insel der Träumerin zusammen, für Reparaturarbeiten."
„Sehr gut", meinte Gucky. „Ich bin mit ORNAGHATOS inzwischen ebenfalls fertig und werde deinem Beispiel folgen."
„Hast du Kontakt zu den anderen?" fragte Tolot.
„Bis jetzt nicht", gab der Mausbiber zurück. „Wahrscheinlich brauchen sie noch ein paar Stunden. Es sind schließlich nur Menschen und keine Mausbiber oder Haluter."
Icho Tolot zeigte sein mächtiges Gebiß. Die Terraner nannten diese seltsame Geste „Lächeln" oder „Grinsen" und drückte damit im allgemeinen Heiterkeit aus. Oder Zuversicht. Oder sogar Angst. Ein äußerst seltsames Volk. Tolot studierte diese Spezies schon seit vielen Jahrhunderten, aber zur Gänze begriffen hatte er sie immer noch nicht - zumal die Terraner auch immer wieder änderten, manchmal im Zeitraum einer Generation.
„Ich habe hier etwas, das ich dir zeigen möchte", sagte Tolot und blickte Gucky dabei sehr aufmerksam an.
Einige Fragen waren ungeklärt, trotz der Veränderungen in seinen Hirnen.
Wie stand der Mausbiber jetzt zu Shabazza und Jii'Nevever? Immer noch treu ergeben?
„Zeig's her!'" meinte Gucky.
„Ich kann es nur dir zeigen", sagte Tolot geheimnisvoll. „Es könnte von Wichtigkeit für dich sein!"
Der Mausbiber reagierte mit überraschender Heftigkeit.
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