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192 - Nah und doch so fern

192 - Nah und doch so fern

Titel: 192 - Nah und doch so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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betrachtete nachdenklich die glänzende Klinge, drehte sie zwischen den Fingern hin und her.
    (Was sollte ich sonst damit tun?)
    (Es wegwerfen?) Daa’tans Stimme im Kopf des Daa’muren klang misstrauisch. (Du hast mir dauernd erzählt, Nuntimor wäre nichts für mich. Und jetzt, wo ich nicht darauf aufpassen kann…)
    (Mach dir keine Sorgen), unterbrach ihn Grao’sil’aana und legte die Waffe bei Seite.
    (Wehe, du wirfst es weg!)
    Der Daa’mure seufzte. So ging das schon seit fünf Tagen!
    Wann hörte der Junge endlich auf, nach seinem Spielzeug zu fragen? Wann wurde er endlich erwachsen?
    Grao’sil’aana saß unter der Schirmakazie und beobachtete von dort, wie das Abendrot auf dem Boden verblasste.
    Daa’tans Versteck war nur wenige Schritte entfernt. Sehen konnte man es nicht. Der Daa’mure hatte noch in der ersten Nacht alle Spuren beseitigt, die Erde glatt gestrichen und Akazienblätter wie zufällig darüber gestreut.
    Für Daa’tan war das hier ein guter Ort, denn der dicht belaubte Baum spendete genug Schatten, um ihn kühl zu halten während der Wachstumsphase. Doch damit hatten sich die Vorzüge des Wellowin, wie dieses Tal genannt wurde, auch schon erschöpft! Jedenfalls für Grao’sil’aana.
    Er sah sich um. Ein paar Gesteinsbrocken, ein einziges Grasbüschel.
    Ansonsten nur kahle Erde, und zwar über die ganze Breite des Bodens hier. Links das Tal hinauf wuchsen steile Felswände in den Himmel. Rechts hinunter war es auch nicht besser. Da kräuselte ein bisschen Gesträuch den Boden, und zwischendrin ragten die Schildkrötenpanzer auf.
    Wo, bitteschön, sollte man sich also verstecken?
    Grao’sil’aana wusste inzwischen, wer in den Höhlen hauste.
    Er hatte die Mandori mental überprüft, kannte ihre Gewohnheiten und hatte von ihrer verlorenen Fähigkeit erfahren, sich in die Traumzeit zu versetzen. Alles in Allem waren sie harmlos. Trotzdem durften sie natürlich nicht wissen, wer sich da in ihrem Tal aufhielt – und warum!
    Tagsüber arbeiteten sie auf den Feldern, jedenfalls die Frauen und Kinder. Die Männer wanderten spätnachmittags tief ins Tal, um sich dort von ihrem dickbäuchigen Anführer die Worte des Windes deuten zu lassen. Seltsamerweise sagte der immer genau das, was Yangingoo gerade besonders interessierte. Ob es junge Mädchen waren oder Wein, der Wind verlangte danach, und Yangingoo wurde bedient.
    Menschen sind seltsam!, dachte Grao’sil’aana. Er verzog das Gesicht, als ihm bewusst wurde, dass er schon wieder Menschen gedacht hatte statt Primärrassenvertreter.
    Was war nur los mit ihm?
    Es lag bestimmt an Daa’tan. Wahrscheinlich hatte der Umgang mit ihm diese irrationalen Handlungsweisen hervorgerufen! Grao’sil’aana tat Dinge, die ihm früher nie eingefallen wären, und schlimmer noch: Er empfand etwas dabei! Warum zum Beispiel hatte er das Schwert behalten und dem Jungen vorsätzlich eine falsche Auskunft erteilt? Nun, es machte irgendwie… Spaß. Ergab das einen Sinn? Nein!
    Und doch war es so. Grao’sil’aana wusste, dass er sich mit dieser Problematik auseinandersetzen musste. Unbedingt sogar, denn hier ging es nicht um ein zweifelhaftes Vergnügen. Die Frage lautete vielmehr: Wenn er Emotionen empfand, war er dann per Definition noch ein Daa’mure?
    Ich werde darüber nachdenken, beschloss er. Morgen…
    Jetzt hatte Grao’sil’aana keine Zeit. Die Sonne sank. Jeden Moment würden die Mandori aus dem Tal und von den Feldern heimkehren. Grao’sil’aana konnte mehrere Individuen gleichzeitig beeinflussen, sodass sie seine Anwesenheit zwar bemerkten, aber gleich wieder vergaßen. Unter normalen Umständen hätte er vielleicht sogar den gesamten Clan kontrollieren können für die kurze Zeitspanne, in der die Mandori auf ihrem Weg zu den Höhleneingängen den Baum im Blickfeld hatten.
    Die Umstände waren aber nicht normal.
    Grao’sil’aana musste jene Aura aufrecht erhalten, die Daa’tan und ihn vor der Macht im Uluru abschirmte. Das kostete Kraft, und deshalb verzichtete er darauf, noch zusätzlich mit den Mandori zu experimentieren. Stattdessen versteckte er sich hinter dem Baum. Das klang so simpel – und war doch so eine Tortur!
    Hämegelächter wehte über die Berge, das keiner menschlichen Kehle entsprang. Grao’sil’aana verzog das Gesicht: Da waren sie wieder! Jeden Abend bei Sonnenuntergang kam ein Vogelschwarm ins Wellowin.
    Kukka’bus hießen die graublauen Biester. Die Schirmakazie war ihr Schlafbaum.
    Der Daa’mure konnte sich

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